Ein Alptraum für Dollar

Dieser Mann wurde eben bei einem Überfall auf einen Supermarkt der Stadt festgenommen.
    Kaum steht er vor dem Untersuchungskommissar, der mit diesem neuen Fall beauftragt ist, da lebt er auf einmal auf — und bevor der Kommissar überhaupt dazu kommt, ein Wort zu sagen, erklärt er ihm schon die Lage. Aufgeregt und beinahe stolz auf seine Tat!
    »Herr Kommissar, hören Sie genau zu, was ich Ihnen zu sagen habe. Schon fünfmal habe ich mit Waffengewalt Überfälle verübt. Heute war es das sechste Mal! Und ich sage es Ihnen lieber gleich — klar und deutlich: Wenn die Polizei mich wieder einmal auf freien Fuß setzt, dann lasse ich mir sofort etwas Neues einfallen!«
    Etwas verwundert wirft der Kommissar einen Blick auf die Papiere des aufgebrachten Individuums mit dem seltsamen Auftreten. Und dann — plötzlich scheint er verlegen, ja sehr verlegen zu sein.
    »Major Eatherley... es waren im Grunde... nun, sagen wir... kleine Delikte... Nicht der Rede wert! Wirklich, ich sehe mit bestem Willen keine Veranlassung, Sie wegen einer solchen Bagatelle einsperren zu lassen.«
    Bei diesen Worten, springt der Mann wütend auf und beginnt wie von Sinnen zu toben:
    »Ich gehöre ins Gefängnis! Ich verlange, daß Sie mich sofort einsperren! Ich bin schuldig! Verstehen Sie? Schuldig!«
    Der Kommissar versucht, ihn zu beruhigen:
    »Major Eatherley, wenn wir alle Menschen, die mal so... aus heiterem Himmel... am Rande der Gesetze...«
    »Sie wissen genau, worum es geht, Herr Kommissar! Also tun Sie Ihre Pflicht, und nehmen Sie mich endlich fest! Oder soll ich beim nächsten Überfall einige Leute über den Haufen schießen, damit Sie sich herablassen, mich ernst zu nehmen!«
    »Schon gut, schon gut! Wenn Sie unbedingt darauf bestehen, dann schicke ich Sie ins Gefängnis. Aber bitte, Herr Major, sollten Sie irgendeinen Wunsch haben, irgend etwas brauchen... lassen Sie es mich gleich wissen, o. k.?«
    »Ich habe nur einen Wunsch — und zwar von einem Gericht verurteilt zu werden. Ich bin schuldig!«
    »Aber es steht Ihnen zu, mit Ihrem Anwalt zu sprechen...«
    »Ich brauche keinen Anwalt. Ich bin schuldig!«
    Während der Major also abgeführt und in eine vergitterte Zelle des Reviers gebracht wird, holt der Kommissar die Akte »Eatherley« und beginnt sie zu wälzen, obwohl er den Fall sehr gut kennt. Er hatte zwar noch nie direkt etwas damit zu tun, aber er weiß Bescheid. Wie auch all seine Kollegen in ganz Texas.
    Claude Robert Eatherley — geboren am 2. Oktober 1918, in Van Alstyne, einer kleinen Stadt 50 Meilen nördlich von Dallas. Problemlose Kindheit. Drei Jahre Studium auf der »North Texas State University« bis 1939, bis Claude volljährig wurde, bis die Welt zum zweiten Mal in diesem Jahrhundert aus den Fugen geriet. Der brillante Student verließ freiwillig die Universität, bevor er promovieren konnte, und meldete sich — auch freiwillig — bei den Militärbehörden. Und schon zwei Jahre später gehörte er zur Elite der U.S. Aircraft. Einer der besten Flieger auf den amerikanischen Stützpunkten — einer, der während des Krieges rund um die Welt ständig im Einsatz war.
    Der Kommissar überfliegt die vielen Berichte und Protokolle. Er ist nachdenklich. In seiner Zelle denkt Major Eatherley auch nach... Er erinnert sich. Seit vierzehn Jahren tut er nichts anders, als sich zu erinnern.
     
    Montag — 6. August 1945.
    Mit seinem Flugzeug überfliegt Major Eatherley in 10 000 Metern Höhe die zerklüfteten japanischen Küsten. Das Wetter ist schön an diesem Morgen — traumhaft schön, das heißt, über den vereinzelten Wölken, die sich seit dem Sonnenaufgang allmählich gebildet haben. Aber sie sind nicht dicht, und der Pilot sieht ganz genau die große Stadt, die unter ihm erwacht. Sie heißt Hiroshima.
    Am Steuer seines Bombenträgers B29 zieht er weite Kreise am Himmel. Um 7 Uhr — vor 25 Minuten also — ist er von der kleinen Insel Tinian im Stillen Ozean gestartet. Beauftragt mit einer sehr wichtigen Mission. Eatherley ist Wettererkundungsflieger, und seine Aufgabe ist es jetzt, die meteorologische Lage zu begutachten. Genau hier: 34 Grad 30 Minuten Nord — 132 Grad 30 Minuten Ost. Ein anderer B 29 wartet startbereit auf seinen Wetterbericht. Sobald der Himmel über der Stadt klar genug ist, hat Major Eatherley den Auftrag, es sofort per Funk durchzugeben.
    In diesem anderen B 29 liegt eine neuartige, schreckliche, geheime Waffe: Eine Bombe, die in Sekundenschnelle eine ganze Stadt zerstören kann.