Ein Alptraum für Dollar
Gäste überhaupt bedienen darf, denkt sich Stevan Hart, während der Ober vor lauter Angst und Verlegenheit in seinem weißen Frack immer mehr zusammensinkt.
»Herr Doktor... Sie sind doch der Chirurg, nicht wahr?« Stevan Hart gibt darauf keine Antwort. Er runzelt lediglich die Stirn und gibt dem störenden Ober zu verstehen, er habe ihn in Ruhe zu lassen. Der Professor kennt diese Art Annäherungsversuche — und er kann sie nicht ausstehen! Für kostenlose Sprechstunden — noch dazu in seiner Freizeit — hat er nichts übrig. Einmal im Monat steht er im Zentralkrankenhaus von Los Angeles den wenig begüterten Patienten zur Verfügung — einen ganzen Tag lang! Und seiner Meinung nach hat er damit seine Pflicht den Armen gegenüber getan. Dr. Hart ist nicht besonders zartbesaitet. Er ist tüchtig, zuverlässig, erfolgreich — aber auch ziemlich abgestumpft.
»Herr Professor, Sie... operieren Augen, ja?«
»Junger Mann, im Augenblick gönne ich mir einige Tage Urlaub, Sie verstehen? Wenn Sie einen Augenarzt brauchen, empfehle ich Ihnen einen meiner Kollegen.«
»Aber nur Sie allein können mir helfen!«
»Ich habe mich doch deutlich ausgedrückt! Ich habe Ferien und möchte nicht gestört werden!«
»Hören Sie mich wenigstens an. Eine Minute nur! Sie müssen!«
Müssen? Dr. Hart ist es nicht gewohnt, daß man in einem solchen Ton mit ihm spricht. Dieser Mann hier ist offensichtlich völlig verzweifelt und hat nichts mehr zu verlieren. Solche Menschen lassen sich nicht leicht abwimmeln. Zuerst bringen sie kaum ein Wort heraus, und dann lassen sie einen nicht mehr los! Stevan Hart wird sich also die Geschichte wohl oder übel anhören müssen. Eine irrsinnige Liebesgeschichte.
Der junge Mann heißt Yannis Bennett. Er ist zwar jung, aber auch häßlich. Und er hat schon seit langem begriffen, daß er von seinen Mitmenschen wenig Beachtung zu erwarten hat. Noch nie hat er es gewagt, um etwas zu bitten. Er tut es heute zum ersten Mal — mit dem Mute der Verzweiflung:
»Mister Hart, ich weiß, daß Sie ein berühmter Augenspezialist sind. Ich hätte es mir nie leisten können, nach Los Angeles zu fliegen, aber nun sind Sie hier... und Sie sind meine einzige Chance! Das heißt, es geht nicht um mich, sondern um eine junge Frau.«
Dr. Hart seufzt resigniert und schaut gelangweilt in die Runde. Das wird länger als eine Minute dauern!
»Herr Doktor, diese Frau ist blind!«
Keine Reaktion vom Arzt. Warum auch? Mit Blinden hat er tagtäglich zu tun. Blinde gehören nun mal für ihn... zur Tagesordnung!
Yannis spürt die grenzenlose Gleichgültigkeit des berühmten Professors. Da holt er tief Luft und erklärt — und es klingt wie ein Befehl:
»Diese Frau ist blind! Ich will, daß sie sieht. Ich will ihr meine Augen geben. Und Sie werden uns beide operieren!«
Stevan Hart fährt auf, will den Mann schroff abfertigen, doch endlich lächelt er ein wenig und klopft väterlich auf die Schulter des großen Jungen:
»Es ist rührend von Ihnen, ja... wirklich rührend! Aber glauben Sie es mir, solche Sachen sagt man, aber man tut sie nicht!«
»Wieso? Darf ich denn nicht?«
»Beruhigen Sie sich doch, darum geht es nicht. Ich bin derjenige, der nicht darf! Ich bin Arzt, junger Mann! Ich darf doch nicht einen Sehenden blind machen, um einem Blinden gesunde Augen zu geben!«
»Aber eine solche Operation ist möglich!«
»Medizinisch gesehen, ja... vielleicht. Unter bestimmten Voraussetzungen. Aber bei Hornhautübertragungen bekommen wir das gesunde Auge von der Organspenderbank. Sollte diese blinde Frau also tatsächlich operiert werden können, dann müssen ihre Daten...«
»Nein, nein, das weiß ich alles schon! Ich habe mich überall erkundigt. Die Warteliste ist sehr lang, und es kann eine Ewigkeit dauern, bis meiner Freundin geholfen wird, wenn überhaupt! Warum also warten, wenn Augen für sie da sind! Ich habe es mir sehr lange und sehr gut überlegt, Herr Professor, mein Entschluß steht fest!«
»Seien Sie doch endlich vernünftig! Man verschenkt nicht seine Augen einfach so!«
»Ich schon! Aber nicht, wie Sie sagen... einfach so! Wenn Sie Jody sehen, werden Sie mich auch bestimmt verstehen. Wissen Sie, wir lieben uns seit fünf Jahren. Es ist keine Kunst! Sie hat mich ja nie gesehen! Sie weiß nicht, wie häßlich ich bin! Mit meiner langen Nase und den Elefantenohren.«
»Jetzt übertreiben Sie aber nicht!«
»Ich mach’ mir nichts vor! Und wenn Jody mich sehen könnte, dann wär’ es
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