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Ein Alptraum für Dollar

Ein Alptraum für Dollar

Titel: Ein Alptraum für Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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gesagt. Warum? Weil er um Verzeihung bitten will. Weil er glaubt, schuld zu sein! Ja, wenn sein Auge abgestoßen wurde, dann ist er schuld! Dr. Hart kann es nicht fassen. Wütend wie noch nie in seinem Leben, explodiert er:
    »Bennett, jetzt weiß ich, daß Sie verrückt sind. Gefährlich verrückt! Wie konnten Sie Jody in dieser kritischen Phase die Wahrheit sagen? Die kleinste Aufregung kann in ihrem Zustand fatale Folgen haben, geschweige denn ein solcher Schock! Sie hirnverbrannter...«
    Es war sicherlich ein Schock für Jody — aber ohne fatale Folgen. Ganz im Gegenteil. Jetzt hat sie wieder den Mut zu kämpfen — zusammen mit Dr. Hart und Yannis. Und sie haben gewonnen.
    Wenn der rein medizinische Erfolg auch mittelmäßig war, Jody konnte sehen. Verschwommen, aber deutlich genug, um diesen großen, steifen und blassen Jungen zu betrachten, der vor ihr stand wie ein zum Tode Verurteilter vor dem Erschießungskommando.
    Sie haben sich minutenlang angeschaut, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Die beiden — sie hatten schon längst alles gesagt.
     

Das Schlüsselwort
     
    Walter Johnson rennt im Gedränge der Victoria Station zum Gleis 15. Zu spät! Als er endlich völlig außer Atem ankommt, sieht er gerade noch, wie die roten Schlußlichter langsam in der Ferne verschwinden. Er hat den Zug verpaßt, mit dem er in sein College zurückfahren mußte — und es gibt keinen anderen vor morgen früh!
    Was soll er dem gestrengen Rektor des Internats erzählen? »Ich habe leider meinen Zug verpaßt.« Eine läppische Entschuldigung! Da wird er nichts zu lachen haben. Pünktlichkeit ist nun mal das erste Gebot für alle Zöglinge im Reich der korrekten Briten. Vom Kindergarten bis zur Universität wird ihnen diese elementare Disziplin so sehr eingeprägt, daß die meisten Engländer später ihr Leben lang in einem ständigen Wettlauf mit der Uhr sind. Aber Ehrlichkeit steht genauso hoch im Kurs der unentbehrlichen Tugenden eines jeden Gentleman-Anwärters. Walter wird also unpünktlich sein — aber wenigstens ehrlich.
    Zuerst heißt es jedoch ein anderes Problem zu lösen, denn er befindet sich in einer ziemlich prekären Lage: Jetzt muß er den ganzen Abend und die ganze Nacht in London zubringen — eine Tatsache, die ihm Kopfzerbrechen macht. Er hat nämlich fast sein ganzes Geld für die Fahrkarte ausgegeben! Wieviel bleibt ihm überhaupt noch? Walter holt also seine peinlich flache Brieftasche heraus und beginnt sorgfältig, sein mageres Kapital zu zählen. Was kann er schon mit den paar Schillingen anfangen? In das Bahnhofskino gehen vielleicht und sich dreimal den Film anschauen, bis der letzte Penner hinauskomplimentiert wird... ja, und dann, falls die Bobbies ein Auge zudrücken, es sich für den Rest der Nacht auf einer harten Bank im Wartesaal so gemütlich wie möglich machen. Mehr ist nicht drin.
    Walter Johnson ist so sehr in seine düsteren Gedanken verloren, daß er den Mann nicht bemerkt, der um ihn herumschleicht und sich dann unauffällig dicht neben ihn stellt.
    »Weißt du, wieviel Sternlein stehen auf dem weiten Kanapee?«
    Dankbar für die unverhoffte Unterhaltung dreht sich der junge Student um und antwortet amüsiert — wie aus der Pistole geschossen:
    »Statt, daß sie am Himmel baumeln, taumeln sie hier durch den Tee!«
    Doch der Fremde verzieht keine Miene und zischt weiter:
    »Zeigt deine Uhr vielleicht das Jahr an?«
    »Natürlich nicht«, plappert Walter vergnügt auf Kommando, »aber das kommt daher, daß es so lange das gleiche Jahr bleibt!«
    »Du hast keine Vorstellung von Zeit!«
    Ja... was soll denn das? Eine Aufführung von »Alice im Wunderland« mit versteckter Kamera? Walter findet das Spielchen zwar ganz ulkig, aber jetzt ist es genug! Der Mann spinnt ja! Wenn das ein Spaß sein soll, warum ist der Mensch dann so ernst, warum durchbohrt er ihn so bedrohlich mit seinem messerscharfen Blick? Jetzt stottert Walter seine Replik:
    »Wenn du... mit der Zeit... so gut bekannt... wärst wie ich...«
    »Schluß mit dem Unsinn! Sie sind sechs Minuten zu früh dran!«
    Walter kennt »Alice im Wunderland« praktisch in- und auswendig, aber mit diesem Stichwort kann er nichts anfangen. Was geht hier eigentlich vor? Da zischt der Fremde:
    »Heut abend 8 Uhr, Brixton Road 172!«
    Nein, das hier... das ist kein Märchen! Walter hat auf einmal das Gefühl, genau wie Alice in einen abgrundtiefen Schacht zu fallen.
    Der falsche »Hutmacher« blickt auf die große Uhr der Victoria Station und

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