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Ein Alptraum für Dollar

Ein Alptraum für Dollar

Titel: Ein Alptraum für Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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leuchtenden Zahlen, die unsere Zukunft beherrschen werden?
    Zukunft ist nicht immer Zufall. Auch nicht immer Schicksal. Oft liegt es an uns, sie zu gestalten — und sei es mit Hilfe dieser Computer, die weit im voraus... sehen können.
     

Die letzte Flut
     
    Sie können sich wieder anziehen, Madame.«
    Annie steht von der Untersuchungsliege auf. Mit einem reißenden Geräusch löst sich ihre nackte Haut von dem dunkelgrünen Kunstlederbezug ab. Seit eh und je kennt sie diese steife, strenge Liege mit dem verchromten Gestell. Schon als Kind, wenn sie krank war und mit ihrer Mutter hierherkam, mußte sich sich darauf legen. Aber damals war der Arzt immer sehr lieb zu ihr. Doktor Cordier machte sie auch immer wieder ganz schnell gesund. Heute praktiziert er leider nicht mehr, und sein Nachfolger ist nicht sehr sympathisch. Er ist tüchtig, ja, hat auch einen guten Ruf, aber sympathisch ist er nicht. Schon allein die Art, wie er mit seinen vierschrötigen Händen den ganzen Körper abtastet. Gewissenhaft, ganz bestimmt, aber irgendwie grob, gefühllos.
    »Komisch«, denkt Annie, als sie sich hinter dem Vorhang wieder anzieht, »er ist ungefähr so alt wie ich und damit ein >junger Arzt<, während ich durchaus keine junge Frau mehr bin!«
    Hinter seinem Schreibtisch überfliegt er gerade die Ergebnisse der Laboruntersuchungen, die sie selber in einem verschlossenen Umschlag mitgebracht hat.
    »Nun, Herr Doktor, was bedeuten die vertrackten Zeichen und Zahlen?«
    »Sie bedeuten, daß Ihr Allgemeinzustand recht gut ist. Ja. Ausgezeichnet.«
    Annie gefällt diese Vorrede nicht.
    »Aber? Denn... es gibt doch ein Aber, Herr Doktor, nicht wahr? Sonst hätten Sie mich nicht viermal zu diesen Untersuchungen geschickt, nehme ich an.«
    »Ich wollte Sie nicht unnötig beunruhigen. Erinnern Sie sich an den etwas dunkleren Fleck oben rechts auf Ihren ersten Röntgenaufnahmen?«
    »Nun sagen Sie endlich, Herr Doktor, was mir fehlt. Auch wenn es schlimm ist. Ich will genau wissen, was mit mir los ist. Ich bin stark genug, um die Wahrheit zu ertragen.«
    »Gut. Ich werde sie Ihnen sagen. Aber bitte... nehmen Sie es nicht zu schwer. Sie haben ein Neoplasma.«
    »Und was ist das genau?«
    »Das ist eine Neubildung von Zellen, die sich sehr schnell und unkontrolliert vermehren — also eine Geschwulst.«
    Annie fühlt, wie sich eine eiserne Hand um ihren Hals legt.
    »Ja, Madame. Und bei solchen Neoplasmen ist es ratsam, sich die Sache genauer, also näher anzusehen.«
    »Eine Operation?«
    »Sagen wir, nur ein kleiner Eingriff. Nichts Ernstes. Und selbstverständlich unter Anästhesie. Nur um absolut sicher zu sein, verstehen Sie? Wirklich kein Grund zur Panik, Madame.«
    Während er so betont munter und beruhigend spricht, blättert der junge tüchtige Arzt in seinem Terminkalender:
    »Mal sehen. Wie würde es Ihnen passen... sagen wir... nächsten Montag?«
    »Herr Doktor, was versuchen Sie mir zu verschweigen? Ich habe Krebs, nicht wahr?«
    »Ja, Madame.«
    Die eiserne Hand läßt brutal los. Annie wollte die Wahrheit erfahren — nun weiß sie Bescheid. Der Arzt sitzt jetzt neben ihr auf der Kante seines Schreibtisches: »Möchten Sie etwas trinken?«
    »Trinken? Das Glas Rum, das man dem zum Tode Verurteilten vor der Hinrichtung reicht? Warum bieten Sie mir nicht die letzte Zigarette dazu an? Nein, danke... es geht auch so!«
    Der Mediziner, an derartige Ausbrüche von Bitterkeit in solchen Situationen gewöhnt, erwidert nichts darauf und wartet geduldig, bis seine Patientin sich wieder gefaßt hat, dann nimmt er wieder seinen Terminkalender zur Hand.
    »Also, Madame, sind Sie mit dem kommenden Montag einverstanden, um 8 Uhr in der Klinik?«
    »Herr Doktor, wenn ich nicht einverstanden bin und nichts tue dagegen, wieviel Zeit bleibt mir dann noch?«
    »Sechs Monate, vielleicht etwas mehr oder auch weniger.«
    »Und wenn ich mich operieren lasse?«
    »Ich kann es nicht genau sagen... ich kann nichts versprechen. Ich täte es gerne, aber man kann nie wissen.« Annie steht resolut auf, wirft ihre Jacke über die Schulter und geht zur Tür.
    »Wegen Montag — nein. Daraus wird nichts. Au revoir, docteur.«
    An diesem Montag steigt Annie um 8 Uhr morgens aus dem Bus aus. Obwohl sie der einzige Fahrgast ist, sagt der Fahrer laut: »Coutainville — Coutainville — zwei Minuten Aufenthalt.« Dann steigt auch er aus und holt ihren Koffer aus dem Gepäckraum.
    »Na, kleine Dame, Sie schleppen aber ganz schön viel mit sich rum!«
    Ja,

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