Ein altes Haus am Hudson River
New York in seinen verschiedenen Zuständen, besonders den sozialen, reiben – nicht dieses schreckliche Dokumentieren, dieses Sezieren, wie Frenside es nannte –, Vance müsse sich selbst zu leben erlauben, müsse unter die Leute gehen, die Stadt und die Menschen bis ins Innerste auf sich wirken lassen … Ein ausgezeichneter Rat, aber nicht so einfach zu befolgen, wenn man …
Hier unterbrach sie ihn, beugte sich vor und blickte ihn irritiert und prüfend an.«Vance, was ist los? Was stimmt nicht? Warum verkriechen Sie sich fortwährend, statt aus Ihrem Erfolg Nutzen zu ziehen?»
« Nun ja, zum einen wahrscheinlich, weil ich nicht an die feine Gesellschaft gewöhnt bin …»
« Betrachten Sie diese Leute nicht als ‹feine Gesellschaft›, sondern als freundliche Menschen, die Ihr Werk bewundern und Sie kennenlernen möchten … Kommen Sie zu uns», drängte sie, und als er gestand, er habe keinen Abendanzug, lachte sie und fragte, ob er glaube, sie wolle ihn zu einem steifen Dinner einladen? Wisse er denn nicht, dass Frenside bei Frackzwang nie aus seiner Höhle herauskomme? Später, wenn Vance sich an all das gewöhnt habe, müsse er auch ein paar von den ganz großen Ereignissen mitmachen – Oper, musikalische Soireen, Millionärsdinners, der ganze dämliche Reigen –, nur um zu sehen, wie« die andere Hälfte»lebte; aber vorläufig schlage sie nur vor, er solle sich von der kleinen Gruppe der Klugen und Gebildeten, die ihn anregen und seinen Horizont erweitern konnten, nicht fernhalten – zumindest nicht, wenn er vorhabe, weiterhin Romane zu schreiben.
Natürlich gab er ihr recht; natürlich versprach er, zu kommen, wann immer sie wolle. Der bloße Klang ihrer Stimme entflammte die schöpferische Leidenschaft in ihm, und als sie ihn fragte, ob er ihr nicht bald das erste Kapitel bringen könne, antwortete er fröhlich, es ihr noch vor Ende dieser Woche zu liefern.
Nach dem Frühstück eilte er zu Lambart und Co., dem Verlag, von dem er tags zuvor einen Brief erhalten hatte. Im Chefbüro, wo ihn der große Mr Lambart persönlich erwartete, äußerte man erneutes Lob für«Anstatt», sodann die Hoffnung, dass er bereits an einem neuen Buch sitze,«einem ganz ähnlichen, denn das ist es, was das Publikum von Ihnen will, Mr Weston», und schließlich die entscheidende Frage:«Wollen Sie es uns überlassen, eine Einigung mit Dreck und Saltzer herbeizuführen? Unter uns gesagt – und natürlich ganz im Vertrauen – ist deren finanzielle Situation nämlich nicht so solide, dass sie ihren Autoren eine Chance geben könnten. Sie sind nicht in der Lage, ordentlich Reklame zu machen, sie sind nicht in der Lage …» – Jaja, unterbrach ihn Vance, das wisse er alles. Das Problem bestehe darin, dass sein Vertrag mit ihnen an den Vertrag mit der« Neuen Stunde»gekoppelt sei, und er wisse nicht …
Der Verleger lächelte das matte, unerforschliche Lächeln der Eingeweihten. Darum gehe es ja eben: Auch bei der«Neuen Stunde»sehe es nicht gerade rosig aus. Auch dort könne man vielleicht etwas ausrichten: Verhandlungen … Wenn Mr Weston ihn einfach bevollmächtigte …
Vance hörte kaum noch zu. Der Satz über die«Neue Stunde »traf ihn wie ein Schock und rief ihm plötzlich Mrs Tarrants Gesicht in Erinnerung, als er am Vorabend damit herausgeplatzt war, er sei durch den Vertrag mit ihrem Mann wie eingesperrt. Sie hatte nicht darauf geantwortet, hatte gar nichts gesagt, aber ihr aufmerksamer Blick und neugierig gespannter Mund wirkten wie zurückgenommen, wie erstarrt, und nur dieses eine Mal während ihres Gesprächs spürte er zwischen ihnen eine unüberwindliche Barriere … Das war es also! Sie wusste, dass die Zeitschrift schlecht dastand, aber Stolz oder auch Loyalität gegenüber ihrem Mann verboten es ihr, das zuzugeben. Kurz darauf hatte sie mit einem halb ironischen, halb mitleidigen Lächeln gesagt:«Die zwei Jahre sind bald vorbei; dann sind Sie frei …», und sie hatten das Thema gewechselt.
Ja, sagte Vance, sich zu einer Antwort aufraffend, ja, natürlich würde er zu jedem Freikaufversuch die Erlaubnis erteilen, nur sei Tarrant ein eigenartiger Mensch, man wisse nie … Das Lächeln des Verlegers schnippte Tarrant beiseite wie einen Strohhalm.« Begabter Amateur … die können alle keine Zeitschriften machen …»Er versprach, Vance das Ergebnis so bald wie möglich mitzuteilen.«Und nun zu Ihrem nächsten Roman», sagte er, und in seiner Stimme schwang etwas wie Besitzerstolz mit. Bei den
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