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Ein altes Haus am Hudson River

Ein altes Haus am Hudson River

Titel: Ein altes Haus am Hudson River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Wharton
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erzählt – hatte all seine Qualen und Ängste herausgeschleudert, das Elend seiner Ehe, die materiellen Sorgen, die ihm seine Arbeit so sehr erschwerten, den heimlichen Groll gegen ihre augenscheinliche Härte und Gleichgültigkeit beim Abschied in The Willows. Nichts hatte ihm ferner gelegen als die Absicht, so mit ihr zu sprechen; er hatte sie aufgesucht, weil sie die Einzige war, die von seinen literarischen Plänen wusste, hatte sich eingebildet, Stolz und Treue verböten ihm jedes persönliche Bekenntnis. Doch als seine Scheu erst einmal verschwunden war, brach all das aufgestaute Leid der langen Monate hervor, in denen er sie nicht mehr gesehen hatte. Der köstliche Trost, sich öffnen zu dürfen, fegte alle Bedenken, alle Zurückhaltung hinweg. Wie eh und je stand es nicht in seiner Macht, sein Innerstes vor ihr zu verbergen; bei jedem Wort fühlte er, wie ihr Verständnis ihm entgegenkam und dem, was er zu sagen hatte, den Weg ebnete. Hier spürte er nichts von jenem Widerstand, gegen den er sich immer instinktiv wappnete, der ihn unwillkürlich jeden Satz zurechtbiegen ließ, damit er zu einem Verstand passte, der sich in jeder Hinsicht von dem seinen unterschied, sich nirgends in ihn fügte oder ihn auch nur berührte – hier fühlte er erleichtert, dass noch sein schwerfälligstes Wort, seine unbeholfenste Schilderung geglättet, aufgerichtet und in das Haus eines stets gastfreundlichen Geistes geführt wurde …
    Als er dann über seine Arbeit zu sprechen begann («Das Einzige, was der Rede wert ist», sagte er immer wieder leidenschaftlich), da war ihm, als säßen sie wieder in der Bibliothek von The Willows im grünen Sommerzwielicht, wo er las und sie lauschte und dem, was ihm am Herzen lag, mit jeder Faser folgte, den ruhigen Kopf einer Statue gleich auf einen glatten, nackten Arm gestützt … Es war seltsam: Eine Art Werteverschiebung, deren Geheimnis nur sie kannte, führte dazu, dass diese seelische Gemeinschaft sie einander näherbrachte als die Umarmungen, nach denen er sich in The Willows so gesehnt hatte. Vielleicht schrak er aber auch wegen Laura Lous ständigem Argwohn vor dem Gedanken zurück, eine solche Gemeinschaft mit körperlichen Liebkosungen zu verbinden. Er musste die sinnliche Leidenschaft von allem lösen, was sie entwürdigt und schlechtgemacht hatte, bevor sie mit seinem Bild von dieser Frau, die ihn verstand und mit ihm fühlte, verschmelzen konnte …
    Als seine Frau am andern Morgen mit ihrem Verhör begann, erzählte ihr Vance, er habe noch im«Loafers’»vorbeigeschaut und dort bis in die Nacht hinein mit ein paar Freunden über sein Buch geredet.«Und mit dieser Stram vermutlich», ergänzte sie, und er erwiderte, während er sein wutverzerrtes Gesicht ins Waschbecken tauchte:«Jaja, und mit sämtlichen Varietégirls von New York!»Laura Lou bürstete sich vor dem Spiegel das Haar. Er erhaschte das Abbild des kleinen, blassen Ovals, die geröteten Lider, die vollen, vor Kummer geschürzten Lippen, drehte sich zu ihr um, fuhr ihr mit der nassen Hand durchs Haar und wuschelte es ihr nach vorn über die Augen.«Du kleine Gans, du …»Sie fasste nach seiner Hand und warf sich an seine Brust.« Das alles kratzt mich überhaupt nicht, Liebling, wenn du bloß nicht bei Mrs Tarrant warst», flüsterte sie, ihre Lippen auf den seinen.«Ach, verdammt», rief er lachend und riss sich von ihr los, um sich fertig anzuziehen.

    Er hatte Mrs Tarrant«Zaster»grob skizziert, und einen Moment lang hatte ihn ihr Zögern irritiert, ihr Widerstreben, sich dazu zu äußern. Hielt sie den Stoff zu gewaltig für ihn – war es das? Nein, nicht zu gewaltig … Sie hatte Vertrauen in die Bandbreite seines Könnens und fand wie Frenside, dass er vor allem kein zweites«Anstatt»anstreben dürfe. Das sei ein glanzvoller Zufallstreffer gewesen, es wäre katastrophal, ihn wiederholen zu wollen. Als er«Pondicherry»murmelte und von der Vision sprach, die dieses Wort in ihm hervorgerufen hatte, schüttelte sie den Kopf und sagte:«Die Verleger würden sofort zugreifen, aber Vorsicht!»Nein, Frenside habe schon recht, er müsse sich nun an der Wirklichkeit versuchen, der Wirklichkeit, die ihn umgab. Für den Romancier sei das Phantastische letztlich nur eine sterile Blüte. Sie frage sich allerdings, ob er mit dem Leben, das er beschreiben wolle, hinreichend vertraut sei. Vance lachte und sagte, Frenside habe ihm die gleiche Frage gestellt. Er müsse mehr ausgehen, habe Frenside gesagt, sich an

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