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Ein altes Haus am Hudson River

Ein altes Haus am Hudson River

Titel: Ein altes Haus am Hudson River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Wharton
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Hitze.»
    « Auch das sagst du immer, Upton, aber sie kommt genau dann, wenn man es am wenigsten erwartet, oder auch Mrs Spear, und dann bist du nicht da. Und dann wollen sie natürlich wissen, wo du bist und ob wir die Arbeit weiterhin machen wollen oder nicht, und dann bin ich an allem schuld. Ich weiß nicht, wie ich es morgen nach The Willows schaffen soll, bei all der Bügelwäsche …»
    « Aber das musst du doch auch nicht, Mutter. Laura Lou geht mit, das reicht.»
    « So?», murmelte Laura Lou. Sie sprach leise, aber doch so laut, dass Vance sie hören konnte, da sie in der sommerlichen Dunkelheit nahe bei der Hängematte saß, in die er sich wieder zurückgezogen hatte.
    « Ja, Laura Lou muss mitgehen. Nicht wahr, Liebling?»Ohne auf eine Antwort zu warten, die womöglich negativ ausgefallen wäre, nahm Mrs Tracy einen Kerzenständer von der Anrichte und stieg langsam die Treppe hinauf.
    Alleingelassen, verfielen die jungen Leute in Schweigen. Upton war offensichtlich müde von seinem Tagewerk, und Vance machte die Gegenwart eines stummen Schulmädchens, das auf seine Bemerkungen immer nur mit einem nervösen Kichern antwortete, verlegen.«Ich wollte, ihre Mutter hätte sie auch ins Bett geschickt», dachte er. Er bot Upton eine Zigarette an und hielt dann das Päckchen Laura Lou hin, die wieder kichernd den Kopf schüttelte.
    « Sie hat ’s mal probiert, aber ihr ist schlecht geworden», sagte Upton grausam.
    « O Upton …»
    « Stimmt doch.»
    Ihr Gesicht verzog sich, als würde sie gleich weinen. Um das Thema zu wechseln, fragte Vance:«Was hat eure Mutter gemeint mit: ‹Morgen ist der Tag für The Willows›? Was ist The Willows?»
    Upton antwortete gleichgültig:«Das ist das Haus von der alten Miss Lorburn, am anderen Ende von Paul’s Landing. Es wohnt niemand drin, seit sie vor einer Ewigkeit gestorben ist. Sie hat ein komisches Testament hinterlassen, und jetzt müssen wir alle vierzehn Tage hingehen und das Haus lüften und den Nippes abstauben. Es gibt so was wie einen Hausmeister, der wohnt dort, aber er darf nicht in die Zimmer von Miss Lorburn, und Mutter und ich müssen uns darum kümmern, dass sie sauber bleiben und genau so, wie sie sie hinterlassen hat.»
    « War diese Miss Lorburn eine Verwandte von eurem Vater?»
    « Ja, aber wohl ganz entfernt. Sie hat das Haus einem Neffen vererbt, einem alten Junggesellen, der nie herkommt, und der hat mit Mutter vereinbart, dass sie ein Auge auf das Ganze hat.»
    Vance überlegte, seine Neugier begann sich zu regen.«Was ist das für ein Haus?»
    « Keine Ahnung, nichts Besonderes. Einfach ein altes Haus.»
    Ein altes Haus! Upton sprach die Worte gleichgültig aus, fast verächtlich, ihm schienen sie nichts zu bedeuten. Aber Vance’ Blut brachten sie in Wallung. Ein altes Haus! Ihm wurde bewusst, dass er in seinem ganzen Leben noch nie ein richtig altes Haus gesehen hatte. Aber Upton war jung, um einiges jünger als er. Was meinte er mit diesem Attribut? Sein Blickwinkel war wahrscheinlich noch enger als der von Vance.
    « Wie alt? So alt wie dieses Haus?», fragte Vance.
    « Ach, hundertmal älter. Mein Vater ist als kleiner Junge immer dorthin gegangen. Es war schon damals ein altes Haus. Er konnte sich noch an die alte Miss Lorburn erinnern, sagt Mutter. Sie ist sehr alt geworden. Sie war, glaube ich, eine Freundin von meinem Großvater. Es ist jedenfalls ein tristes Haus. Laura Lou hasst es. Sie sagt, in den Zimmern spukt es, und sie hat Angst davor. Aber ich glaube, sie würde nur am Samstagnachmittag lieber ins Kino gehen.»
    « Upton …», protestierte Laura Lou wieder.
    « Na, stimmt doch. Und Mutter will nicht, dass du nach The Willows gehst, weil du immer was zerbrichst. Aber morgen musst du.»
    Laura Lou gab keine Antwort, und Vance fuhr mit seiner Befragung fort.«Und was sind das für Damen, von denen eure Mutter gesprochen hat, die da kommen und die Pferde scheu machen?»
    « Ach, Mrs Spear und ihre Tochter. Mrs Spear war eine geborene Lorburn. Die kommen morgen nicht, nicht bei dieser Hitze. Wenn sie überhaupt hier sind – da bin ich mir nämlich nicht sicher.»
    « Hier? In Paul’s Landing?»
    « Sie wohnen oben in Eaglewood, noch so ein Lorburn-Haus, ein paar Meilen weit weg, den Berg hoch. Von da hat man einen prima Blick auf den Fluss. Steht in den Reiseführern. Und ab und zu müssen sie nach The Willows kommen und uns kontrollieren, so wie wir den Hausmeister.»
    « Wie viele Lorburn-Häuser gibt es denn hier in der

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