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Ein altes Haus am Hudson River

Ein altes Haus am Hudson River

Titel: Ein altes Haus am Hudson River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Wharton
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…»Er stieß den Namen mit einem Hauch von Trotz hervor, was seine Frau amüsierte.
    « Jaja», murmelte sie zunehmend erleichtert.
    « Du findest nichts dabei?», beharrte er.
    « Ich finde, was ich immer gefunden habe, dass nämlich dein Vertrag mit Vance nicht fair ist, das habe ich dir schon früher gesagt.»
    « Das ist kein Argument.»
    « Das ist sehr wohl ein Argument, wenn der arme Junge Geld braucht.»
    « Ach, hat er dir wieder was vorgejammert?»
    Sie schüttelte den Kopf, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie dachte daran, wie fruchtlos ihr früherer Vermittlungsversuch zu Vance’ Gunsten gewesen war, und fragte sich erneut, durch welch merkwürdiges Zusammentreffen sein Name immer zu einem Ausbruch der verborgenen Spannungen zwischen ihr und Tarrant führte.
    « Schau, Halo – ich merke doch, dass du immer noch findest, ich hätte ihn schlecht behandelt.»
    « Ich finde, du hast ihn … gleichgültig behandelt. Was du Geschäft nennst, ist im Grunde pure Gleichgültigkeit, nicht wahr? Erfunden, um Gefühle auszuschalten.»
    « Möchtest du, dass ich Weston gegenüber Gefühle zeige?»
    « Ich möchte, dass du großzügig bist, wie du es sehr wohl sein kannst …»Sie schwieg kurz, um ihre Worte wirken zu lassen.« Er ist jung und unglücklich und ratlos. Vielleicht hat er einen Fehler gemacht, als er wegen seines Buches zu Lambart ging, ohne mit dir zu reden.»Tarrant schnaubte.«Aber du kannst es dir doch leisten, darüber hinwegzusehen. Er hat der ‹Neuen Stunde› einmal ein gutes Buch geliefert und wird dir bestimmt noch eins liefern. Dieser neue Roman ist eine sehr schöne Sache …»
    Tarrant veränderte ein wenig seine Haltung und blickte seine Frau an.«Ach – du hast ihn also gelesen?», fragte er, eine plötzliche eifersüchtige Schärfe in der Stimme.
    « Die ersten Kapitel, ja.»
    « Nun, es gibt keine ersten Kapitel mehr – und auch keine letzten.»Er sah, wie sie zusammenfuhr, und lachte.«Als ich mich geweigert habe, den jungen Herrn aus seiner Verpflichtung zu entlassen, hat er das Manuskript vor meinen Augen zerrissen und gesagt, er werde keine einzige Zeile mehr für uns schreiben. Hochdramatisch, nicht wahr?»Er wartete und fügte dann etwas unsicher hinzu:«Er hat mir geschworen, er besäße keine Abschrift – aber das glaube ich ihm nicht.»
    Halo war sprachlos. Der Auftritt war offensichtlich heftiger gewesen, als sie sich vorgestellt hatte. Sie kannte Tarrants Fähigkeit, heftige Auftritte zu provozieren – seine kühle Schärfe schnitt in die Seele wie eine weißglühende Klinge ins Fleisch. Ein Pfund Fleisch, zunächst am Herzen 100 – genau das forderte er immer. Und sie wusste auch, dass Vance die Wahrheit gesagt hatte; auch ihr hatte er erzählt, dass er keine Abschrift dieser ersten Kapitel besaß. Er hielt an seiner kindischen Gewohnheit fest, die Seiten handschriftlich vollzukritzeln, und machte sich gewöhnlich erst dann die Mühe, sie abzutippen, wenn das Buch schon weiter fortgeschritten war. Die mechanische Arbeit, sein eigenes Werk abzuschreiben, war ihm verhasst, und es abschreiben zu lassen konnte er sich nicht leisten. In den ersten Monaten hatte Laura Lou versucht, seine Sekretärin zu spielen, aber sie konnte seine Handschrift nur schwer entziffern, ihre Rechtschreibung trieb ihn in den Wahnsinn, und beinahe hätte sie seine Remington ruiniert. Seit sie krank war, kam es nicht mehr infrage, dass sie ihm diese zweifelhaften Dienste erwies. Der Arzt sagte, es sei schlecht für sie, wenn sie sich vornüberbeugte, und die Manuskriptseiten stapelten sich unkopiert, trotz Halos häufiger Proteste. Warum hatte sie nicht darauf bestanden, selbst seine Arbeit abzutippen? Aber jetzt war es zu spät, sie konnte nur noch versuchen, die nutzlosen Tränen hinunterzuschlucken.
    « Und, wie denkst du darüber?», beharrte Tarrant. Es ärgerte ihn immer, wenn seine Pointen ihre Wirkung verfehlten, und er benahm sich wie ein penibler Schauspieler, dessen achtloser Partner ihm das Stichwort nicht lieferte.«Du hast anscheinend nicht gehört, was ich gesagt habe», insistierte er.
    « Doch, doch. Und es tut mir leid, schrecklich leid.»
    « Das hilft mir nicht weiter.»Sie merkte, dass nun die Gegenreaktion einsetzte. Nachdem er eine Wirkung erzielt, seinen Unmut inszeniert und geäußert hatte, war dies der Augenblick, in dem seine angespannten Nerven nachgaben und er sich insgeheim fragte, was er jetzt tun sollte, wie ein unartiges Kind nach einem

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