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Ein altes Haus am Hudson River

Ein altes Haus am Hudson River

Titel: Ein altes Haus am Hudson River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Wharton
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Glückseligkeit!
    Seit jenem einzigen Streit über Vance Weston – dem Streit, der zu Halos Entschluss geführt hatte, ihren Mann nicht nach Europa zu begleiten – war der Name des jungen Mannes in ihren Gesprächen nur selten gefallen. Der unerwartete Erfolg von« Anstatt»hatte Tarrants verlegerischer Eitelkeit geschmeichelt, und dass es später noch einmal zu einer Meinungsverschiedenheit zwischen den beiden Männern gekommen war, hatte Halo bis zu jenem Abend vor ein paar Monaten nicht geahnt, als Vance ihr erzählt hatte, dass er Tarrant gebeten habe, sein Gehalt aufzustocken oder den Vertrag zu annullieren. Sie hatte sehr unter dieser Nachricht gelitten, aber sie hatte schweigend gelitten. Sie konnte Vance nicht heimlich helfen, wie sie es sich gewünscht hätte; sie hatte weder eigenes Geld noch die Möglichkeit, welches aufzutreiben. Und es würde ihn nur kränken, wenn sie sein Geständnis verraten und an die Großzügigkeit ihres Mannes appellieren würde. Tarrant besaß nicht diese Art von Großzügigkeit, er hätte nur gesagt:«Jetzt versucht er also, dich anzupumpen, nachdem es ihm bei Mrs Pulsifer misslungen ist», und wenn er so etwas sagen würde, stünde sie wohl auf und ginge aus dem Haus – für immer.
    Nein, auf diese Weise konnte sie Vance nicht helfen. Ihr einziger Versuch, für ihn einzutreten, war ein Fehlschlag gewesen. Sie konnte nur den Mund halten und ihr Möglichstes tun, um zum Erfolg seines neuen Buches beizutragen. Es schmeichelte ihr (weit mehr, als ihr bewusst war), dass sie ihm auf diesem Wege tatsächlich von Nutzen sein konnte. Seine Muse zu sein, seine Inspiration – es war also wirklich etwas dran an dem abgegriffenen alten Bild! Sie wusste, sie hatte zur Entstehung von« Anstatt»tatsächlich ihren Teil beigetragen, und dieses geheime Wissen hütete sie wie einen Schatz …
    « Nun?», fragte sie ihren Mann, als sie nach dem Dinner in die Bibliothek zurückgekehrt waren. Es war für seine (etwas unzuverlässige) Verdauung nötig, wie sie wusste, dass er sich den Groll von der Seele redete, den sie in jedem Blick las und in jedem Ton hörte. Wenn sie ihm diesen Gefallen tat, kam sie sich manchmal vor wie eine Krankenschwester, die routiniert einen reizbaren Patienten besänftigt.
    Tarrant gab rückblickend ein kurzes Lachen von sich – wie das Schrappen eines Zündholzes, das ein kurzes Licht auf seinen Unmut warf.«Oh, es war nur wieder dein Protegé.»
    Ein banger Schauder überlief sie. Normalerweise herrschte eine kühle Harmonie zwischen Tarrant und ihr. Seit dem Tag ihres heftigen Ausbruchs, als sie sich geweigert hatte, ihn nach Europa zu begleiten, hatte sie sorgsam alles vermieden, was zu einer Meinungsverschiedenheit hätte führen können. An jenem Tag hatte sie ihre Lektion gelernt, und aussichtslose Streitereien demütigten sie. Doch immer wenn Vance Westons Name fiel, schien sich die Luft elektrisch aufzuladen. War ihr Mann daran schuld oder sie? Sie war ständig bereit, Vance zu verteidigen, obwohl sie kaum wusste, wogegen. Oder verteidigte sie sich selbst …?
    « Welcher Protegé?», fragte sie gleichgültig.
    « Ich wusste nicht, dass du mehrere hast. Weston natürlich – ja, er hat mir wieder einen seiner Auftritte geliefert. Wirklich, der Bursche ist nicht stubenrein. Und ein Duckmäuser obendrein … kann nicht den geraden Weg gehen …»
    « Lewis!»
    « Ein niederträchtiger Duckmäuser. Er will mehr Geld haben, wie immer, und hat versucht, Lambart dazu zu bringen, sein neuestes Werk Dreck und Saltzer abzukaufen, ohne mich vorher zu fragen. Unseren Doppelvertrag mit ihm aufzukaufen – hinter meinem Rücken! Aber Frauen haben keinen Blick für solche Ungeheuerlichkeiten …»
    Er schwieg und rührte verärgert in seinem Kaffee.«Du findest wahrscheinlich nichts Besonderes dabei», sagte er herausfordernd.
    Halos Herzschlag hatte wieder zum gewöhnlichen Takt zurückgefunden. Es war nicht das, was sie befürchtet hatte … und sie schämte sich, wie sehr sie es befürchtet hatte! Sie redete sich hastig ein, dass sie um Vance Angst gehabt habe, nicht um sich selbst. Wenn er den Kopf verloren und seine Gefühle für sie ihrem Mann verraten hätte, das wäre sein Ruin gewesen. Sie kannte Tarrants tödlich langen Atem bei Vergeltungsmaßnahmen.
    « Unter Männern tut man so etwas nicht», fuhr Tarrant fort.« Aber ich kenne eigentlich nur eine Frau, die in Geldfragen die Feinfühligkeit eines Mannes besitzt» – kurze Pause –,«und das ist Jet Pulsifer

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