Ein altes Haus am Hudson River
Tobsuchtsanfall. Dieser Moment kam immer dann, wenn er für das unwiderstehliche Vergnügen, jemanden wütend und unglücklich zu machen, bezahlen musste, und seine Verwunderung darüber war ebenso komisch wie seine Qual mitleiderregend.« Solche Sachen machen mich fertig», sagte er und wischte sich mit dem Taschentuch über die feuchte Stirn.
Normalerweise hatte Halo dann eine gemurmelte Beschwichtigung parat, aber diesmal kam nichts. Vance hatte sein Manuskript zerstört – diese Seiten, auf denen sie zwar einiges Kritikwürdige, aber weit mehr Lobenswertes gefunden hatte! Jetzt erinnerte sie sich nur noch an das, was Bewunderung verdiente, und war hilflos empört über die Grausamkeit, die ihn zu solchem Tun getrieben hatte.
« Ich bin’s eben nicht gewohnt, mit solchen Leuten zu verhandeln», fuhr Tarrant mit wachsendem Selbstmitleid fort.
« Nein, in der Tat», erwiderte sie, fortgerissen von plötzlicher Empörung.«Das ist deine einzige Entschuldigung», fügte sie ironisch hinzu.
Er stutzte und sah sie mit dem gekränkten Blick eines Kindes an, das Mitleid erwartet und stattdessen eine Ohrfeige bekommen hat.
« Du hast etwas Schönes, vielleicht Großartiges zerstört. Das ist Vandalismus, so wie wenn man ein Bild aufschlitzt oder eine Statue zertrümmert. Dafür werden andere Leute eingesperrt», fuhr sie rücksichtslos fort.
« Ich – ich? Zerstört? Aber Halo, du hast nicht zugehört. Du meinst, ich hätte das Manuskript zerrissen? Es war dieser verdammte Dummkopf …»
« Ja, weil du ihn gekränkt hast, seinen Stolz als Künstler verletzt hast. Du weißt nicht, was es heißt, anderer Menschen Arbeit zu respektieren, die Schöpfung ihres Innersten … Du weißt absolut nichts über irgendetwas, wenn es nicht dich selbst betrifft! »
Wieder sah sie Schweißperlen auf seine Stirn treten, und er tastete nach seinem Taschentuch. Bestimmt fragte er sich nun besorgt, wie er so kurz nach der vorhergegangenen quälenden Diskussion noch eine weitere durchstehen sollte. Gewöhnlich brauchte er vierundzwanzig Stunden, um sich zu erholen, nachdem er jemandem die Hölle heißgemacht hatte – und da kam nun seine eigene Frau, die besser wusste als jeder andere, wie empfindlich er war, wie teuer er für nervliche Anstrengungen bezahlen musste, und zwang ihm rücksichtslos eine zweite Szene auf, noch ehe er sich von der ersten erholt hatte!
Doch Halo empfand kein Mitleid. Der Anblick seiner Bedrängnis machte sie nur wütend. Oft genug hatte sie ihm nach einem Zusammenbruch geholfen, seine Selbstachtung wiederzuerlangen; das war für ihren Stolz fast ebenso nötig wie für seinen, solange sie weiterhin zusammenlebten. Aber jetzt hatte sie solche Überlegungen ganz und gar hinter sich gelassen und redete weiter, ohne auf ihn zu achten.«Du hast etwas Kostbares zerstört, etwas Schönes …»Sie konnte nur sinnlos immer dieselben Worte wiederholen.
Plötzlich wurde Tarrants Miene aufmerksam.«Hältst du so viel von diesem Buch?»
« Ich habe es großartig gefunden …»Sie konnte ihrer Empörung nur Luft machen, indem sie ihm den Wert dessen, was er verloren hatte, unter die Nase rieb. Er sollte wenigstens den kommerziellen Verlust spüren, wenn es schon keine andere Möglichkeit gab, ihn leiden zu lassen.
Er blickte sie etwas beschämt an.«Du hättest mir vorher wirklich einen Hinweis geben können …»
« Ich habe die Kapitel erst vor Kurzem gelesen, und Vance wollte nicht, dass ich mir eine Meinung bilde oder darüber rede, bevor er weitergeschrieben hat.»
« ‹Darüber reden› kann man es wohl kaum nennen, wenn du mir davon erzählst, deinem Mann und seinem Herausgeber.»
« Er hätte es dir zweifellos gezeigt, wenn du ihn darum gebeten hättest.»
« Ich habe ihn ja darum gebeten, gerade eben, und als Antwort hat er das Ding zerrissen.»
Es trat eine lange Pause ein, in der die beiden Gegner ziemlich hilflos in ihrem Unmut verharrten. Halo war noch immer zu wütend, um zu reden, und ihr Mann begann sich offensichtlich zu fragen, ob er einen Fehler gemacht hatte – ob man bei manchen Anlässen besser auf das Vergnügen verzichtete, einen Menschen, der von einem abhängig war, vor den Kopf zu stoßen. Missmutig sagte er:«Na ja, schließlich hat er nur die Zeit verloren, die er braucht, um das Ding noch mal zu schreiben. Ich glaube, es waren nicht mehr als sechzig Seiten.»
« Ein wirklich kreativer Schriftsteller kann sein eigenes Werk nicht noch einmal schreiben. Es wäre eine seelische
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