Ein altes Haus am Hudson River
Bild, das sie wählte, erkannte er, wie weit er sich schon von der Mapledale Avenue entfernt hatte. Mit grausamer Präzision beschwor er die geistige Atmosphäre des Hauses, die von Sprachschlampereien geprägten, trüben Tage beim« Offenen Wort», die Abende im Familienkreis vor dem Grammophon mit dem rosaroten Trichter, und er wusste, das würde er nicht ertragen. Dennoch wollte er Laura Lou seine Abneigung nicht spüren lassen. Es war seine Aufgabe, sein Bestes für sie zu tun, und vielleicht war dies in ihren Augen das Beste. Zunächst unterbreitete er ihr die Sache mit der Mapledale Avenue, ohne etwas von seinen Gefühlen zu verraten; er übertrieb sogar, was die Vorteile des väterlichen Angebots betraf. Aber zu seiner Verblüffung lehnte Laura Lou ab. Es war noch nie ihre Stärke gewesen, etwas zu begründen oder einer instinktiven Abneigung auf den Grund zu gehen, und er hatte den Verdacht, dass sie die Angst lähmte, seine Gefühle zu verletzen. Doch anscheinend fand sie, dass er in der Nähe von New York bleiben und nicht wieder bei einer Zeitung arbeiten sollte, zumindest nicht in Euphoria.« Ich weiß, du würdest es nur für mich tun», versuchte sie zu erklären.
« Nun, von irgendetwas müssen wir ja leben», erwiderte er nicht unfreundlich, und sie sagte, fahrig wie immer:«Wenn wir irgendwo wohnen würden, wo ich richtig kochen könnte … und sich niemand einmischt …»Sie sprach von einem eigenen Zuhause. Noch behutsamer antwortete er:«Schau, Laura Lou, was hältst du davon, zu deiner Mutter und Upton zu ziehen, bis ich dir ein Zuhause geben kann, wo sich niemand einmischt? Das Klima dort …»
Sie errötete, diesmal vor Freude; dann verdüsterte sich ihr Blick, wie immer, wenn sie etwas beunruhigte.«Aber Kalifornien ist doch noch weiter weg von deiner Arbeit wie Euphoria, und wir hätten auch mehr Ausgaben …»Sie blickte ihn mit einem kleinen, hausfraulichen Lächeln an. Herr im Himmel, wie sollte er es ihr beibringen? Ja, er werde wohl hier in New York bleiben müssen, bei seiner Arbeit; er habe gemeint …«Ich soll allein dorthin?», vervollständigte sie den Satz und fügte sofort hinzu:«O Vanny, das ist doch nicht dein Ernst, oder? Du willst mir doch nicht sagen, es wäre leichter für dich, wenn ich zu meiner Mutter zurückgehen würde? Dann wäre es ja noch besser, du …»Und sie schloss verzweifelt:«Wenn wir nur ein kleines Haus fänden, wo ich richtig kochen kann …»Während er ihre Tränen fortküsste, schwor er, einen Ausweg zu finden, wenn sie wirklich sicher sei, dass sie ihn nicht verlassen wolle …«Ich würde auch deine Sachen flicken, besser als bisher», schluchzte sie selig und reumütig, und es begann die ebenso zielstrebige wie schwierige Suche nach einem kleinen Haus.
Der freundliche Hausverwalter wurde um Rat gefragt, konnte aber nichts vorschlagen, das Vance’ Mittel nicht überstiegen hätte. Auch andere Erkundigungen verliefen ergebnislos, und schließlich kam ihnen, seltsam genug, Rebecca Stram zu Hilfe. Sie hatte eine alte jüdische Mutter, die etwas außerhalb lebte, am Rande der Bronx, und einen Bruder, der als Immobilienmakler aussichtslose Gelegenheitskäufe tätigte, um dann damit zu spekulieren, und gemeinsam mit ihnen fanden sie ein baufälliges, ebenerdiges Häuschen mit ein paar Korbstühlen, einem Sofa und einem Küchenherd. Es stand einsam auf einem verwahrlosten Fleckchen Ackerland, inmitten der Überbleibsel eines Obstgartens, und war durch ein Waldstück von Wohnblocks und Schloten abgeschirmt. Ganz in der Nähe rasten, ratterten und rauchten die großstädtischen Randbezirke, aber in dieser verwilderten Senke wirkte die Natur noch immer ungestört ihre Wunder, und Vance musste über einen ausgefahrenen, holprigen Weg laufen, vorbei an einem Ententeich und einer uralten Pumpe, um zur Schnellstraße und zur Straßenbahn zu gelangen. Hinter dem Haus stieg das Gelände an, und jenseits des bewaldeten Hügelkammes begann die offene, unberührte Landschaft.
Für Untermieter von Mrs Hubbard war es der Himmel, und in den ersten Wochen gaukelte das Gefühl von Frieden und Unabhängigkeit Vance vor, alles sei in Ordnung. Er richtete das Sofa notdürftig, besorgte einen Ofen, ein paar Lampen, etwas Wäsche und einen kleinen Juteteppich; er erledigte die bescheidenen Einkäufe und bastelte Regale und Haken, und als das Haus bewohnbar war, nahm Laura Lou den Kampf mit dem Haushalt auf. Anfangs beunruhigte Vance das nicht allzu sehr. Er griff nach
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