Ein altes Haus am Hudson River
seinem Füllfederhalter und der Schreibunterlage und wanderte los, den Hügelkamm entlang, wo es noch schattige Senken gab, in denen man sich ausstrecken, träumen und den Wolken und Vögeln bei ihrer Reise zusehen konnte. Ihm genügte diese grüne Einsamkeit, und er scherte sich wenig darum, welches Essen auf dem Tisch stand oder vielmehr nicht dort stand, wenn er heimkam. Wochenlang tat er kaum etwas anderes als träumen. Die Grundlagen seines Daseins waren erschüttert, Zweifel und Bestürzung erfüllten ihn. Was er schrieb, zerriss er, und er las mehr, als er schrieb. Die wenigen Bücher, die er billig erstanden hatte, als sie New York verließen, waren verschlungen, bevor der Sommer halb vorüber war. Doch in dieser Zeit«baute er seine Seele wieder auf». Er wusste nicht, wie er die Rückkehr zu der inneren Stabilität, die seinen weit gespannten Träumen als Landebahn diente, anders hätte beschreiben sollen. Und dann blickte er eines Tages aus dem Fenster und sah den Apfelzweig, und an ihm hing sein neues Buch. Er hielt den Atem an und schaute …
Er hatte kein Interesse an einem zweiten Buch im Stil von« Zaster». Alles Verlangen, sich mit dem Schauspiel New York zu befassen, war verschwunden. Die Geschichte, die sich nun vor ihm entwickelte, war einfacher, näher an seinen eigenen Erfahrungen. Sie sollte von einem Mann wie ihm selbst handeln, von zwei oder drei Menschen, deren Seelenleben ebenso ausgehungert war wie das seine. Lange saß er da und ließ die fremdartige, strenge Schönheit auf sich wirken, die dieses krumme Stückchen Apfelzweig vor dem kleinen Himmelsviereck schuf. Alltägliches Material, aus dem etwas Magisches entstehen konnte – das sollte sein Thema sein. Während er so grübelte, begann es sich tausendfach geheimnisvoll in ihm zu regen, sein Kopf fühlte sich an wie das raschelnde Wäldchen oberhalb des Hauses, von übersichtlicher Größe und doch zum Bersten voll mit dem zarten, vielfältigen Leben von Vögeln, Insekten, Farnen, Gräsern, platzenden Knospen und fallenden Samen im unaufhörlich fortschreitenden Jahreslauf. Er musste sich nur selbst beobachten, auf sich selbst hören und versuchen, das millionenfache Schimmern und Murmeln dieses inneren Schauspiels niederzuschreiben.« Hör mal, Laura Lou», rief er und schob den Stuhl zurück, um zu ihr zu laufen und ihr davon zu erzählen – doch dann wurde ihm bewusst, dass sie nichts von dem, was er sagte, begreifen würde. Er blieb stehen und überließ sich der jähen, erschütternden Vorstellung, was wäre, wenn er Halo gerufen hätte, wenn Halo aus der Küche gelaufen käme … Er setzte sich an den Schreibtisch und barg das Gesicht in den Händen.«Mein Gott», dachte er.«Wo ich doch schon anfing, zu vergessen …»Er zog den Füller heraus und schrieb ein paar Zeilen, dann fiel ihm plötzlich auf, dass Laura Lou auf seinen Ruf nicht reagiert hatte – sie, die sonst unter dem geringsten Vorwand zu ihm gelaufen kam. Vor ein paar Minuten hatte er noch gehört, wie sie emsig Essensreste zusammenstellte – was sie Kochen nannte. Komisch, dass sie nicht geantwortet hatte; er wollte einmal nachsehen …
Sie stand in der Küche am Herd. Er meinte zu sehen, wie sie etwas hineinstopfte, einen weißen Lappen oder ein Papier, und einen Augenblick später qualmte es, und er roch den ätzenden Gestank von brennendem Leinen. Sie drehte sich zu ihm um mit einem Gesicht, so weiß wie der Lappen, und einem Lächeln, das mehr als üblich von ihren Zähnen zeigte, als wären ihre Lippen geschwunden.«Jaja … komme schon», sagte sie nervös.
« Was riecht denn hier so komisch? Was verbrennst du da?»
Wieder lächelte sie ihr Totenkopflächeln.«Es zieht nicht, ich hab gerade nachgelegt …»
« Das merke ich. So ein Gestank! Wahrscheinlich hast du es jetzt erstickt.»
Ohne zu antworten, setzte sie sich auf den Stuhl am Küchentisch.
« Ich möchte nur wissen, was daran komisch sein soll», schimpfte er, verärgert darüber, dass er aus seinem Traum gerissen worden war.
« Ich glaube, mit dem Herd stimmt was nicht – du musst ihn reparieren lassen», stieß sie mit einer seltsamen, schwachen Stimme hervor, als sei sie gerade gerannt. Auf dem Tisch stand ihr unordentlich eingeräumter Flickkorb, und daneben lagen, nachlässig aufgehäuft, weitere weiße Lappen oder Taschentücher oder was immer es war. Sie stopfte sie in den Korb und blickte ihn von der Seite an.
« Babykleidung?», dachte er halb entsetzt, halb jubelnd. Einen
Weitere Kostenlose Bücher