Ein altes Haus am Hudson River

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Autoren: Edith Wharton

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jüngstes Vergehen brütend, dann ging sie ins Haus. Als sie verschwand, setzte sich Mrs Spear auf, wach gerüttelt aus geheimen Berechnungen, die ihre Stirn zum Runzeln gebracht und die Falten um ihren Mund verschärft hatten, und rief mit tiefer, klagender Stimme hinter ihr her:«Aber Lewis Tarrant – habt ihr alle Lewis Tarrant vergessen? Wer holt ihn vom Bahnhof ab?»
    Wenn Mrs Spear so unvermittelt aus dem Meer ihrer Bedrängnisse auftauchte, sah ihr noch immer hübsches Gesicht fast wie ertrunken aus, und dann hatte Halo das Gefühl, sie müsse sie künstlich beatmen und andere Erste-Hilfe-Maßnahmen ergreifen.
    « Mach kein so bestürztes Gesicht, Liebste. Warum glaubst du, ich hätte Lewis vergessen? Ich fahre jetzt gleich hinunter, um ihn abzuholen; sein Zug kommt ja erst in einer Stunde.»
    Inzwischen hatte sich Lorry Spear mühsam hochgehievt und seinen Zigarettenstummel weggeworfen.«Du brauchst nicht zu fahren, Halo, ich fahre schon», sagte er im Ton brüderlicher Selbstaufopferung.
    « Tausend Dank, Lorry. Aber bemüh dich nicht.»
    « Von Mühe kann keine Rede sein, Kind. Ich gehe dann auch gleich auf die Post und hole im Laden Mutters Pfeilwurzmehl ab.»
    Dies rief bei Mr Spear und Frenside müdes Gelächter hervor, denn der Laden in Paul’s Landing diente als Zwischenlager für Mrs Spears alltägliche Einkäufe, und wenn sie vorschlug, man könne doch vielleicht auf dem Heimweg dort vorbeischauen, sie habe dort möglicherweise ein Päckchen Pfeilwurzmehl 26 bestellt, kämpfte sich das Auto anschließend unweigerlich mit zahllosen Paketen beladen ächzend den Berg hoch.
    Halo blieb in der Glastür zur Halle stehen.«Aber ich brauche das Auto, Lorry», sagte sie bestimmt und ging nach drinnen. Als sie die Halle durchquerte, hörte sie hinter sich die hastigen Schritte ihres Bruders.«Hör zu, Halo – halt! Ich fahre hinunter, um Lewis abzuholen; ich möchte fahren.»
    Sie blickte ihm mit ihrem sanften Lächeln ins Gesicht.«Na, klar, dann komm mit.»
    « Aber wozu willst du dann fahren?»Sein hübscher, zaudernder Mund verzog sich zu einem verärgerten Schmollen.« Eigentlich möchte ich Lewis lieber allein abholen. Wir haben etwas zu besprechen …»
    Die Augenbrauen seiner Schwester hoben sich ironisch.«Das habe ich mir gedacht. Wie viel diesmal, Lorry?»
    « Wie viel …?»
    « Ja. Übertreib es nur nicht. Ich habe gesagt, ich brauche das Auto. Wie viel willst du dir von Lewis leihen?»
    Der Bruder errötete, protestierte und stieß hervor:«Verdammte Unverschämtheit …»
    Halo hob den Arm, um auf die Uhr zu schauen.«Zeter hier nicht rum wie Vater, wenn er irgendwelche Ruchlosigkeiten in der Zeitung anprangern will. Und sei auch nicht maßlos.»Sie fingerte in der abgewetzten Antilopenledertasche an ihrem anderen Handgelenk herum.«Schau, reicht das?»Sie zog zwei Zehndollarscheine heraus und hielt sie ihrem Bruder hin.
    « Teufel, Kind …», stammelte er, sichtlich in Versuchung und dennoch wütend.
    « Du weißt genau, dass du von Lewis nicht so viel bekommst. Also nimm es lieber.»
    Er stand da, die Hände in den Taschen, das Kinn auf die Brust gedrückt, und starrte die Geldscheine regungslos an.
    « Komm, Lorry, ich habe es eilig.»Sie machte eine kleine Bewegung, als wollte sie ihre Tasche wieder öffnen und das Geld zurückstecken.
    « Ich fahre selbst hinunter, um Lewis abzuholen», murmelte er, und die fließenden Linien seines Gesichts verhärteten sich in zornigem Eigensinn.
    « Das tust du nicht!»
    « Nein? Du wirst schon sehen …»Er packte sie am Handgelenk, und sie standen da, starrten einander an und schnauften wie zwei wütende junge Tiere. Dann befreite Halo ruckartig mit einem Lachen ihr Handgelenk, öffnete noch einmal ihre Tasche und zog weitere zehn Dollar heraus. Sie warf die drei Geldscheine auf den Tisch, durchquerte die Halle und ging zur Haustür hinaus. Sie hörte keine Schritte hinter sich, und sie fand es auch überflüssig, sich umzuschauen und zu kontrollieren, ob das Geld vom Tisch verschwunden war.

8
    Im spinnwebverhangenen Wagenschuppen am alten Stall fand sie den«Mann für alles», Jacob den Chauffeur (oder Gärtner oder Milchmann), auf dem Boden liegen, den Kopf unterm Auto. Auf ihren Gruß hin kam er hoch und sagte, es sei mal wieder was nicht in Ordnung, Mister Lorry habe Schwierigkeiten gehabt, den Wagen den Berg hochzukriegen, und am besten zerlege er ihn gleich ganz, wenn er schon dabei sei.
    « Auf keinen Fall! Ich fahre jetzt sofort damit nach