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Ein altes Haus am Hudson River

Ein altes Haus am Hudson River

Titel: Ein altes Haus am Hudson River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Wharton
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Paul’s Landing hinunter.»
    Jacob starrte sie an, widersprach aber nicht.«Höchstwahrscheinlich kommen Sie nicht mehr zurück», stellte er nur fest, und Halo kletterte lachend und mit einem Achselzucken in den Wagen. Mit dem Auto war es wie mit dem ganzen Leben in Eaglewood, dachte sie, es brach ständig zusammen und schaffte es doch irgendwie weiterzulaufen.«Mit Stricken zusammengebunden und mit Heftpflaster verklebt, so geht es mit allem in der Familie, seit ich denken kann.»Sie seufzte ein wenig, während sie die unkrautbewachsene Auffahrt hinunterglitt, auf die steinernen Torpfosten zu. Der Wagen würde problemlos den Berg hinunter bis Paul’s Landing fahren, und darüber hinaus machte sie sich im Augenblick noch keine Gedanken. Wenn sie und Lewis Tarrant im Dunkeln zu Fuß nach Eaglewood gehen müssten – nun ja, Lewis hätte wohl nichts dagegen, dachte sie. Aber erst einmal musste sie irgendwie ihre vergessene Verabredung nachholen.
    In wenigen Minuten brachte die kurvenreiche Straße sie den Berg hinunter zu den trostlosen Randbezirken von Paul’s Landing und von dort zum Haus der Tracys. Sie sprang aus dem Wagen, rannte die Stufen hoch und klopfte, dabei blickte sie sich neugierig um. Sie ging selten zu den Tracys und hatte vergessen, wie schäbig und bescheiden das Haus war. Diese Feststellung vermehrte noch ihre Gewissensbisse und Selbstvorwürfe. Wie hatte sie den klugen Jungen dort so lange vergessen können! Wenn er ihren Kreisen angehört hätte, wäre das nie passiert.«Wenn ich etwas hasse», überlegte sie,«dann scheinbare Gleichgültigkeit gegenüber Leuten, die so leben.»Und sie beschloss umgehend, dass man sein ganzes Leben den Tracys und ihresgleichen widmen musste, denn wenn man die Güter dieser Welt genoss, und sei es so begrenzt und bescheiden wie in Eaglewood, während andere in unmittelbarer Nähe solch ein Leben führten, verriet dies seelische Gemeinheit, das Allerletzte, was sie sich vorwerfen wollte. Was es in diesem besonderen Fall noch schlimmer machte, war die entfernte Verwandtschaft der Lorburns und der Tracys; war die Tatsache, dass vor zwei oder drei Generationen eine törichte (und ältliche) Lorburn-Jungfer mit einem Sohn von Bauer Tracy, der in der Zementfabrik unten am Fluss arbeitete, durchgebrannt, von ihrer Familie verstoßen worden und auf das Niveau ihres Mannes gesunken war, der nicht zu wirtschaften verstand und seine Witwe und die Kinder in Armut hinterließ. Heutzutage hätte das für die gesellschaftliche Position der Familie keine so große Rolle gespielt, aber nach den strengen Regeln des Lebens von vor sechzig Jahren bedeutete das Abgleiten aus der Höhe von Eaglewood in die Tiefe der kleinen Händler und Bauern von Paul’s Landing einen vernichtenden Sturz. Das war nicht in Ordnung, überlegte Halo und runzelte vor Anstrengung die jungen Brauen wie ihre Mutter, weil sie hier und jetzt, während sie darauf wartete, dass jemand auf ihr Klingeln reagierte, die rascheste Lösung finden wollte, wie einer solchen Ungerechtigkeit ein Ende zu setzen sei.
    In der Ausarbeitung ihres Plans wurde sie vom Erscheinen des jungen Upton unterbrochen, der sie so überrascht ansah, dass sie ihre plötzlich entdeckte Verpflichtung gegenüber dieser Familie deutlicher spürte denn je.
    « Oh, Upton, wie geht’s? Ich weiß, ich habe dich beim Abendessen gestört. Hoffentlich ist mir deine Mutter nicht böse.»
    « Böse?», wiederholte der junge Tracy verwirrt. Er fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund, um zu verschleiern, dass sie mit ihrer Vermutung, er komme vom Abendessen, recht gehabt hatte.«Ich hab gedacht, vielleicht stimmt was nicht in The Willows», sagte er.
    « The Willows! Nein. Oder vielmehr, ja, es geht um The Willows …»Sie brach in Lachen aus.«Schau nicht so erschrocken, armer Upton! Ich habe etwas falsch gemacht, nur ich. Ich glaube, ich habe versprochen, mich heute Nachmittag dort mit deinem Cousin zu treffen, damit er einen Blick in die Bücher werfen kann.»Sie blickte Upton fragend an und bemerkte eine zustimmende Kopfbewegung.«Nicht wahr? Ja. Nun – ich bin nicht hingegangen. Es war ganz allein mein Fehler. Es ist nämlich so … Ich war verhindert … in letzter Minute. Ich würde ihn gern sehen und ihm erklären …»
    « Ach so», sagte Upton sichtlich erleichtert. Er drehte sich zaghaft um, weg von ihrem suchenden, durchdringenden Blick.« Wenn Sie ins Wohnzimmer kommen wollen, Miss Halo …»
    Sie schüttelte den Kopf.«Nein, das

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