Ein altes Haus am Hudson River
diesem Wagen ein Platz frei war. Ein Mann in einem langen, leichten Mantel und mit einem bedruckten Band an der Mütze stand neben dem Fahrersitz und gab Anweisungen. Vance berührte ihn am Arm.«Entschuldigen Sie …»Der Mann drehte sich um, und Vance fand sich Auge in Auge mit Bunty Hayes, dem früheren Reporter der Zeitung von Paul’s Landing.
Bunty Hayes hatte sich nicht verändert; er war noch immer der adrette, pausbäckige Bursche mit den dreisten Augen und dem kleinen, kindlich lächelnden Mund, nur ein wenig dicker war er geworden, und die schwarz-goldenen Buchstaben auf seiner Mütze verliehen ihm eine gewisse Autorität.
« Ja? – Ha! Das ist doch Vance Weston!», rief er aus.
Wenn irgendetwas Vance’ gegenwärtige Stimmung trüben konnte, so war es eine Begegnung mit Bunty Hayes. Mit diesem Namen verbanden sich nichts als unselige Assoziationen, und für diesen Menschen hatte er immer nur Verachtung übrig gehabt. Doch die Strömung, die ihn vorwärtstrug, ließ sich von etwas so Schäbigem wie Bunty Hayes nicht aufhalten; Vance zögerte einen Augenblick, dann reichte er dem anderen die Hand und stürzte, wie es seine Art war, unvermittelt auf sein Ziel los.« Sagen Sie – fahren Sie mit?»
« Ob ich mitfahre?», echote Bunty mit seinem ungezwungenen Lachen.«Sieht so aus. Ich bin hier schließlich der Fremdenführer, mein Sohn. Haben Sie gedacht, ich sitz noch immer in Paul’s Landing und schreib für dieses Mausoleum von Zeitung? Nein, Sir, das war vor Urzeiten. Ich spiel jetzt seit fast zwei Jahren Fremdenführer in New York. Springen Sie doch auf – ist zwar schon alles besetzt, aber die Mädchen machen bestimmt noch Platz für Sie. Ich kutschier grade das noble St.-Elfrida-Internat aus Peapack rum – tja, Sir, die ersten sechs Reihen sehen gut aus, oder? Ist vor allem eine Kunstrundfahrt – Library, Metropolitan, die Kathedrale und die Palisades … 51 Kommen Sie, quetschen Sie sich dazwischen, Vance, und die Tasche ruhig auch. Ist zwar gegen die Regeln, aber stellen Sie sie untern Sitz, wenn der Chauffeur in den Auspuff guckt. Hier rein mit Ihnen, diese Reihe. Schaun Sie, das Mädchen am andern Ende lässt Sie noch rein, die mit dem blauen Hut.»
Der Fremdenführer schob Vance am Ellbogen in die entsprechende Richtung und rief ihm mit Stentorstimme nach:« Vance, darf ich Sie bekannt machen mit meiner Verlobten, ja, die dort mit dem blauen Hut. Laura Lou, das ist Mr Weston. Mann … Vance, sind Sie nicht Laura Lous Cousin? Ich hab doch glatt vergessen, dass wir uns über die Tracys kennengelernt haben. Laura Lou, das ist dein Cousin Vance Weston, der extra aus Illinois gekommen ist, um dich zu sehen. So, meine Damen und Herren, alles einsteigen, bitte!»
Vance kletterte über eine Reihe entblößter rosa Knie. Die Mädchen begrüßten ihn mit aufgeregtem Geschrei, und er glitt in die Lücke zwischen einer jüdisch aussehenden jungen Frau mit randloser Brille und dem Mädchen mit dem blauen Hut. Ihr geschmeidiger junger Körper schien sich vor dem seinen aufzulösen, während sie Platz für ihn machte.
« Laura Lou!», rief er aus, als der Wagen in die Straße hinausschwankte. Er konnte kaum glauben, dass dieses kleine Gesicht mit dem blassrosa Mund und den fein gezeichneten Brauen dasselbe war wie das des schmollenden Gänschens aus Paul’s Landing. Dann erinnerte er sich, wie sie eines Abends zu spät und ein wenig erhitzt zum Essen hereinkam, in einem ausgeblichenen Musselinkleid, so hell wie ihr Haar. Da hatte er sie fast hübsch gefunden. Fast hübsch! Was war er nur für ein ungeschlachter Tölpel gewesen, dass es ihn nur nach so grober Kost wie Floss Delaney und Smeralda Cran verlangt hatte! Die Zeit hatte seinen Geschmack ebenso verfeinert wie die Gesichtszüge seiner Cousine, und er schaute sie mit anderen Augen an.
« Vance!», sagte sie mit ihrer schüchternen, schleppenden Stimme, aber ohne eine Spur von Schüchternheit in den Augen, die mit liebevoller Neugier auf ihm ruhten.
Auch diese Augen waren anders, nicht mehr wie verschmierte graue Brillengläser, sondern blitzend wie Quellwasser, und sie begegneten seinem Blick im vollen Bewusstsein dieser Veränderung. Es sah aus, als wisse sie – unbefangen und ohne jede Albernheit –, dass sie hübsch war, und als freue sie sich einfach darüber, wie eine Blume vielleicht.
Der Anblick nahm Vance’ Sinne gefangen, er hörte kaum, was sie sagte, war sich nur ihrer Nähe bewusst, brennend und strahlend und dennoch so
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