Ein amerikanischer Thriller
Texas. (Hote-
leintragungen zufolge wurde die Suite von Herschel
»Heshie« Ryskind gemietet, Akte Nr. 887.8, Büro Dallas).
Bisherige Gesprächsdauer: drei Minuten.
LB: Du hast immer auf Hotelsuiten gestanden, Hesh.
Eine Hotelsuite und ein Blow Job – das war für
dich der Himmel auf Erden.
HR: Sprich mir nicht von Himmel, Leon. Mir tut die
Prostata weh, wenn ich nur dran denke.
LB: Ach so. Du bist krank, da willst du nicht ans
Diesseits denken.
HR: Es heißt Jenseits, Leon. Und du hast recht. Und
angerufen hab’ ich dich, weil ich ein bißchen quat-
schen wollte und du deine Nase gern in anderer
Leute Probleme steckst, und ich dachte, du könntest
mir was von Leuten erzählen, denen es noch dre-
ckiger geht als mir, und mich ein bißchen ablenken.
LB: Ich tu’ mein Bestes, Hesh. Übrigens, Carlos läßt
dich grüßen.
HR: Was treibt der übergeschnappte Ithaker?
LB: Leider kaum was Neues. Nur die alte Deportati-
onsgeschichte, die immer noch nicht ausgestanden
ist und an der er ganz schwer zu knapsen hat.
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HR: Der kann dem Herrgott für seinen Anwalt danken.
LB: Genau, Littell. Der Bursche arbeitet auch für Jimmy
Hoffa. Onkel Carlos meint, der habe einen solchen
Haß auf die Kennedys, daß er’s auch gratis machen
würde.
HR: Das ist doch so ein Verzögerungskünstler. Der
immer alles verzögert und verzögert und verzögert.
LB: Genau. Onkel Carlos meint, daß sein Fall wahr-
scheinlich erst Ende nächsten Jahres vor Gericht
kommt. Littell treibt die Leute im Justizministerium
in den Wahnsinn.
HR: Das heißt, Carlos ist optimistisch?
LB: Absolut. Genau wie Jimmy. Das Problem bei Jim-
mys Problem besteht darin, daß scheißsechsund-
achtzigtausend Grand Jurys hinter ihm her sind. Ir-
gendwer kriegt irgendwann irgendeine Verurteilung
zustande. Egal, was für ein Spitzenanwalt Littell ist.
HR: Das hör’ ich gern. Jimmy Hoffa geht es mindes-
tens so dreckig wie mir. Kannst du dir vorstellen,
was es heißt, in Leavenworth von irgendwelchen
Schwarzen fertiggemacht zu werden?
LB: Keine erfreuliche Aussicht.
HR: Das gilt auch für Krebs, du gojischer Scheißer.
LB: Wir drücken dir die Daumen, Hesh. Wir beten
für dich.
HR: Eure Gebete könnt Ihr euch sonstwohin stecken.
Erzähl mir Klatsch. Deswegen habe ich angerufen.
LB: Nun ja.
HR: Nun ja, was? Leon, du schuldest mir noch Geld.
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Du weißt, daß ich abkratze, ehe ich’s mir wieder-
holen kann. Einem Sterbenden wirst du doch das
bißchen Klatsch gönnen.
LB: Nun, ich hab’ Gerüchte gehört.
HR: Zum Beispiel?
LB: Daß Littell für Howard Hughes arbeiten soll. Hughes
soll angeblich sämtliche Hotels in Vegas kaufen
wollen, wobei Sam G. alles daran setzt, einen Fuß
ins Geschäft zu bekommen.
HR: Wovon Littell nicht die geringste Ahnung hat?
LB: Genau.
HR: Unser Scheißleben ist doch so schön. Nie langweilig.
LB: Da hast du absolut recht. Wenn du dran denkst,
was unsereiner so alles zu hören kriegt.
HR: Ich will nicht sterben, Leon. Der ganze Mist ist
viel zu schön, um sich davon zu verabschieden.
Weiteres Gespräch irrelevant.
Chicago, 19. 11. 62. BL4-8869 (Celano’s Tailor Shop)
an AX8-9600 (Haus von Johnny Rosselli). Teilnehmer:
Johnny Rosselli, Sam »Mo«, »Momo«, »Mooney« Gian-
cana. Bisherige Gesprächsdauer: zwei Minuten.
JR: Sinatra kannst du vergessen.
SG: Den kannst du mehr als vergessen.
JR: Nicht mal seine Telefonanrufe nehmen die Ken-
nedys entgegen.
SG: Keiner haßt diese irischen Schwanzlutscher mehr
als ich.
JR: Wenn du von Carlos und seinem Rechtsanwalt
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absiehst. Carlos denkt die ganze Zeit, daß er wieder
abgeschoben wird. Daß er sich wieder in El Salva-
dor die Kaktusstacheln aus dem Arsch pulen muß.
SG: Carlos hat seine Probleme. Und ich meine. Bobbys
Polypen rücken mir andauernd auf den Pelz, und
die sind von ganz anderem Kaliber als die normalen
FBI-Typen. Ich würde am liebsten ein Hämmerchen
nehmen und Bobby den Scheißschädel einschlagen.
JR: Und seinem Bruder.
SG: Dem vor allem. Der Mann ist ein Verräter, der sich
als Held aufspielt. Ein Kommunisten-Lämmchen im
Wolfspelz.
JR: Dem Chruschtschow hat er aber den Marsch ge-
blasen, Mo. Das muß ich ihm lassen. Chruschtschow
hat die Scheißraketen abmontiert.
SG: Unsinn. Alles nur Arschkriecherei mit Zuckerguß.
Ich weiß von einem Bekannten bei der CIA, daß
Kennedy mit Chruschtschow eine Geheimabsprache
getroffen hat. Okay, er hat die Raketen entfernt. Aber
ich
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