Ein amerikanischer Thriller
Bondurant
bezeugte außerdem Gordeans offensichtlichen Alkoho-
lismus und seine depressive Stimmung. Die Autopsie
bestätigte, daß Gordean Anzeichen von fortgeschrit-
tenem Leberschaden zeigte. Die Leiche wurde einem
entfernten Vetter in Seattle überstellt. (Gordean hatte
keine näheren Verwandten.)
Sollten Sie eine Bestätigung verlangen, nehmen Sie
bitte mit Captain Hildreth von der Polizei von Key
West Verbindung auf. Natürlich möchte ich mich für
den Schnitzer entschuldigen. Und Ihnen versichern,
daß dergleichen nicht mehr vorkommen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Kemper Boyd
DOKUMENTENEINSCHUB: 19. 6. 59. Persönliches
Schreiben: John Stanton an Kemper Boyd.
Lieber Kemper,
natürlich bin ich stinksauer. Und natürlich hätten Sie
mich auf der Stelle von dem Schlamassel in Kennt-
nis setzen müssen. Gott sei Dank hatte Gordean kei-
ne näheren Verwandten, die der CIA Ärger machen
könnten. Aber schließlich sollte man auch in Betracht
ziehen, daß Sie bis zu einem gewissen Grad Opfer
einer Verkettung unglücklicher Umstände geworden
313
sind. Wie Sie einmal sagten, sind Sie Rechtsanwalt
und Polizist, kein Spion.
Sie werden sich freuen zu hören, daß der Stellver-
tretende Direktor Bissell Ihrem Vorschlag, Blessing-
ton Camp von einem Elitekader führen zu lassen,
positiv gegenübersteht. Das Ausbildungscamp wird
gerade gebaut; die von Ihnen persönlich ausgewähl-
ten Rekruten (Paez, Obregón, Delsol, Gutiérrez) wer-
den in Langley weiter ausgebildet und schneiden
gar nicht schlecht ab. Der Stellvertretende Direktor
wäre, wie gesagt, damit einverstanden, das Camp
Pete Bondurant zu unterstellen. Das war natürlich
vor dem Mist mit Gordean. Fürs erste möchte ich
abwarten und die Sache mit Bondurant noch ein-
mal überdenken.
Kurz, ich bin über den Zwischenfall mit Gordean
nicht gerade begeistert, aber meine Begeisterung für
Sie als CIA-Mitarbeiter bleibt davon unberührt. Mis-
sionen auf eigene Verantwortung sollten Sie bis auf
weiteres unterlassen.
John Stanton
DOKUMENTENEINSCHUB: 28. 6. 59. Persönliches
Schreiben: Special Agent Ward J. Littell an Kemper
Boyd. »Zur Überarbeitung und Weiterleitung an Robert
F. Kennedy.«
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Kemper,
ich komme mit meinen Ermittlungen gegen das or-
ganisierte Verbrechen allmählich voran. Ich bin auf
einige voneinander unabhängige Hinweise gestoßen,
daß die alternativen (wahrscheinlich codierten) Bücher
der Teamsterpensionskasse tatsächlich existieren.
Lenny Sands glaubt, daß es sie gibt. Sal D’Onofrio
hat entsprechende Gerüchte gehört. Weitere Gerüch-
te aus anderen Quellen: Ein Chicagoer Gangster im
Ruhestand soll die Bücher verwalten; Sam Giancana
soll der »Hauptbevollmächtigte für die Gewährung
von Darlehen« sein. So verbreitet die Gerüchte sind,
ich habe bisher nicht den geringsten Beweis in der
Hand. Und werde natürlich so lange keinen haben,
bis ich nicht einen passenden Schuldner aufgetrie-
ben und mir nachweislich Zugang zur Pensionskasse
verschafft habe.
Am 18. Mai habe ich einen dritten Informanten
in meinen Stall gezwungen. Der Mann (ein in Dal-
las ansässiger Strip-Club-Betreiber und Kredithai)
hält Ausschau nach einem Schuldner, den ich an Sal
D’Onofrio verweisen kann, damit der ihn zu Sam Gi-
ancana schickt.
Ich betrachte den Mann als wichtigen Informan-
ten, denn er hat bereits einen Schuldner an Giancana
und die Pensionskasse vermittelt. Er ruft mich jeden
Dienstagvormittag an einem öffentlichen Telefon in
unmittelbarer Nähe meiner Wohnung an; ich habe ihm
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mehrmals Geld gegeben. Er fürchtet und respektiert
mich genau im richtigen Maße. Wie Sal D’Onofrio be-
findet er sich ständig in Geldnöten. Ich bin überzeugt,
daß er mir früher oder später zu einem geeigneten
Schuldner verhelfen wird.
Ich verfüge jetzt über einen eigenen Fonds, d. h.
einen Informanten-Fonds. Ende Mai habe ich die
81.000-Dollar-Beute aus einem Raubüberfall sicher-
gestellt, der niemals zur Anzeige kam. Ich habe
Sal D’Onofrio 32.000 Dollar aus dem Fonds gegeben
und ihn damit noch abhängiger von mir gemacht.
Eigenartig, ursprünglich habe ich immer geglaubt,
Lenny Sands werde sich als mein wertvollster Infor-
mant erweisen, aber sowohl Sal als auch der Mann
aus Dallas waren schließlich kompetenter (oder
dringender aufs Geld angewiesen?). Daran bist du
schuld, Kemper. Daß du Lenny mit Pete Bondurant
und Hush-Hush zusammengebracht hast,
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