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Ein anderes Leben

Ein anderes Leben

Titel: Ein anderes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Enquist
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einmal in der Küche der Mutter, ein Buch über das, was er gesehen hat. Er weiß nicht, was es wert ist. Er schreibt Bilder und Erlebnisse zusammen und sagt bei einem Kapitel dies ist das Wichtigste, was über dieses Spiel gesagt worden ist , und über das nächste dies ist das Schlechteste .
    Auch sein erkämpfter Hochmut fühlt sich hohl an.
    Es ist wunderbar, in der Küche der Mutter zu sitzen. Er fährt zurück nach Kopenhagen. Immer noch eiskalte Morgen, der Ficus Benjamin tot und die Lebenszeichen aufgefegt.

Er begann sich vorzustellen, wie Herr Clausen dachte.
    Dies sollte ja der Sinn dessen sein, was er gerade im Moment nicht tat, aber hätte tun sollen. Vögel, die vom Wasser auffliegen, Wassernebel, dies schaffte er mit Mühe, ebenso eiskalte Morgenstunden. Aber es wiederholte sich. Mit Herrn Clausens Schwester war es besser. Über ihre Wirklichkeit hatte er die volle Kontrolle, dabei fühlte er sich glücklich. Es war ganz prima. Er konnte es ja beeinflussen und brauchte nicht traurig darüber zu sein, dass nichts geschah. Totale Kontrolle. Was hatte sie dazu gebracht, eine solch intensive Zusammengehörigkeit zu fühlen? Wollte er wissen. Da galt es, mit frohgemutem Optimismus ins Geschehen einzugreifen. Keine Vögel, kein Sturm, keine Mitteilungen von Möwen, die im Sturm rückwärts getrieben wurden, keine frühen Morgen. Ihm fiel das Spiel mit den Punkten und dem Elefanten ein, das Eeva-Lisa ihn einst gelehrt hatte: Man hatte ein Blatt Papier, und darauf waren Ziffern, und jede Ziffer hatte ein Wort, das etwas bedeutete, nein, wie ging es?
    Am Ende hatte man den Bleistift von Punkt zu Punkt geführt, und es wurde eine Figur daraus, die alles erklärte. Und so erreichte man, dass es zusammenhing. Und Eeva-Lisa hatte ihm geholfen und die Hand über seine gehalten. Im Leben lief alles darauf hinaus, dass man die Dinge dazu brachte zusammenzuhängen. Und am Ende verstand man und konnte rufen Ein Elefant! Zum Beispiel.
    Mit Herrn Clausen und seiner Schwester war es sicher genauso. Dass sie in dieser leicht scherzhaften Weise, wie nur eine Schwester es tun konnte, die Hand um seinen Nacken legte, und, wie es im übrigen auch Eeva-Lisa zu tun pflegte, ganz ohne andere Vergleiche, die Linie zwischen Ziffern zog, die Bedeutung hatten . Es war die Ziffer 3, dieselbe wie die Telefonnummer! Und die Ziffer 6 – war das nicht Hedmans!? – musste dies nicht gedeutet werden wie jene Gelegenheit, bei der Herrn Clausens Schwester geflüstert hatte Ich kann hören, wenn du das Fahrrad abstellst und gegen die Wand lehnst, kein Geräusch ist so wie das, denn dann kommst du. Und dann würde Herr Clausen den Stift ablegen und sie ansehen und ganz deutlich erkennen, was die Figur darstellte, und dann würde sie rufen: Mein Leben!
    Er notiert dies, und schreibt: ›Und mit der äußersten Spitze ihrer Zunge rührte sie an die weiße Bruchkante des Hutzuckers.‹
    Hatte man nur einmal verstanden, wie alles zusammenhing , dann konnte man alles ertragen.
    Auch dass Herrn Clausens Schwester nicht mehr jung war und jetzt krank geworden war und brüllte und dass seltsame Worte aus ihrem Mund kamen. Es kam ja einfach so, so konnte es gehen, man musste verzeihen. Die Liebe war ja so. Man konnte sie nicht teilen und nicht zurücknehmen, das wäre ja total krank. So dachte Herr Clausen ganz sicher, an jeder Ziffer hing ein Wort, das man deuten musste, und manchmal kamen Bilder zum Vorschein, die so hartnäckig waren, dass sie nicht geleugnet werden konnten, das war das Wort, geleugnet werden , wie an dem Tag, als Eeva-Lisa weggefahren wurde, und damit basta . Aber er selbst war – in dieser Stunde großer Verwirrung und Verängstigung – von der lustigen und in keiner Weise quälenden Erinnerung an einen Vogel heimgesucht worden, der im Sommerhaus eingeschlossen sich verirrt und herauszukommen versucht hatte und mit den Flügeln an die Fensterscheibe geschlagen hatte, mit weit aufgesperrten Augen, gegen das Fenster, mit den Flügeln – wie die Mutter vor dem Fenster mit verzerrtem Gesicht um Aufmerksamkeit geheischt hatte, als er in der Krankenstation in Bureå vom Doktor des Todes eingefangen gewesen – wo war da der Wohltäter gewesen, der Befreiung hätte schenken können von der Verwirrung und Verzweiflung, die dieser Vogel verspürte?
    Im Juni keine Rufe mehr von Herrn Clausen unter ihm.
    Lebte sie noch?
    Er verreiste, weiß noch deutlich, wohin: Zu einem Seminar über Dokumentarismus contra belletristische Wahrheit, ein

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