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Ein anderes Leben

Ein anderes Leben

Titel: Ein anderes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Enquist
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hat, wie schlecht die zur Zuckerrübenernte nach Schonen ausgesandten Helfer aus Västerbotten – die zum Wohl des Landes bei der Krisenbewältigung mit angepackt haben – von den geizigen und gemeinen Schoningern behandelt wurden, macht er die südlichen Landschaften ziemlich klein, wie kleine Fleischauswüchse, ungefähr wie Kuheuter. Ein Problem ist auch Jämtlands Grenze zu Norwegen. Sie kann und muss ausgeweitet werden, wenn man bedenkt, dass Schwedens Nordgrenze nicht ans Eismeer reicht; dort liegen Norwegen und Finnland wie Klöße, er ist besorgt wegen der Abgeschnittenheit der Norrlänningar, jetzt, wo die Konvois dort oben beschossen werden. Nach einer großen Anzahl stückweise vorgenommener Ausweitungen lässt er die Grenze Jämtlands ganz bis zum Meer reichen. Zwar wird Norwegen abgeschnitten wie eine Wurst, aber das fördert die Möglichkeiten der Widerstandsbewegung. Auf diese Weise erhält Schweden einen norrländischen Direktzugang zum Atlantik, und er legt dort einen Marinestützpunkt mit vier Fregatten und dem Kreuzer Gotland an.
    Es macht Spaß zu zeichnen, und er achtet jedes Mal peinlich darauf, das Dorf einzuzeichnen, das Hjoggböle heißt, an der richtigen Stelle, um zu wissen, wo das Zentrum ist, und damit er sich sicher fühlen kann. Am südlichen Rand zeichnet er Stockholm ein, mit ausgeschriebenem Namen, aber an der Peripherie, damit man den Abstand merkt.
    Das ist am Anfang. Er zeichnet einige hundert Schwedenkarten, auf eine innere Weise gerechter als die Schulkarten. Dann geht er einen Schritt weiter und beginnt, Orientierungskarten zu zeichnen.
    Die Zeichen sind ja nicht schwer. Nämlich Laubwald und sumpfiges Gelände und Nadelwald und Bäche und Höhenlinien und Kirche, das gleiche Zeichen wie für Bethaus. Alles leicht zu zeichnen.
    Erst jetzt zeichnet er Karten vom Dorf.
    Er hat gewissermaßen das Zentrum aus der Schwedenkarte herausgehoben, um eine Extrakarte der eigentlichen Mitte zu erstellen, die also Hjoggböle ist. Das Dorf kann er ja. Er braucht es nur zu dokumentieren. Der westliche Teil des Dorfs, der gottlose, ist schwerer, und manchmal muss er raten. Bis zum Konsum geht es gut. Danach tut sich die Unsicherheit auf. Zum Beispiel will er ungern Karten von Långviken zeichnen, an dem er einmal mit dem Bus entlanggefahren ist, aber das war ja nur ein Entlangfahren. Weil es Sünde ist zu lügen oder hinzuzudichten, ist er unschlüssig. Hinzuzudichten ist ja nur erlaubt, wenn es einem geistlichen Zweck dient, um Jesu Taten und Wunder zu erklären; die Hinzudichtungen Christi in Form von Gleichnissen sind erlaubt.
    Aber Karten zeichnen ist etwas anderes. Es prüft auch niemand, was er tut. Keiner schaut ihm über die Schulter , um Leichtsinn zu bestrafen, die Zeichen sind abstrakt, die Karten scheinbar gleich. Er findet die Möglichkeit, diese heimliche Umzeichnung vorzunehmen, verlockend. Deshalb beginnt er, erfundene Landschaften zu zeichnen.
    Erst sind es ganz einfache Kartenbilder. Er nimmt das auf, was er kennt.
    Zunächst gleicht es dem Gelände um den Bensberg, aber bald verändert er die Höhenlinien, so dass die lügenhaft niedrige Höhenangabe des Berges (112 m ü. NN) in die plausiblere Höhe von 246 m ü. NN abgeändert wird. Die Grotte der toten Katzen, die er später im Alter von elf Jahren entdeckt, ist seltsamerweise auf einer seiner frühen Karten angedeutet. Die Grotte ist vor ihrer Entdeckung! von ihm kartografiert worden. Sie liegt an der Stelle, wo die Höhenlinien sich verdichten und einen fast lebensgefährlichen Steilhang ausweisen; es findet sich jedoch, wenn man die Karte genauer studiert, mitten am Steilhang ein kleiner Abstand zwischen den Linien, Platz für einen Pfad, der an einer Grotte vorbeiführt, von der er später meint, dass sie entfernt an die Grotte der toten Katzen erinnert, und in der sich jemand über einen längeren Zeitraum vor Verfolgern versteckt halten kann.
    Die Karte hat auf diese Weise die Wirklichkeit vorweggenommen, das ist eine Lehre, die er für sich zieht.
    Zuerst zeichnet er Landschaften, die schön und richtig sind, dann zeichnet er sie, wie sie sein sollten. Zuerst ist es das Dorf genauso, wie es ist, dann kommt etwas dazu. Das von ihm Hinzugezeichnete und Dazukommende erschreckt ihn, versetzt ihn aber gleichzeitig in eine seltsame Erregung. Er zeichnet korrekt den Fußballplatz des Hjoggböle IF ein, er liegt links, wenn man zum Konsum will, aber er macht ihn gleichzeitig ein wenig größer als den existierenden. Er

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