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Ein anderes Leben

Ein anderes Leben

Titel: Ein anderes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Enquist
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väterlichen Fittiche über den jungen norrländischen Schriftsteller aus Uppsala ausbreitet und ihm völlig freie Zügel lässt. Der Anflug eines Seufzens kann über sein freundliches Gesicht huschen, wenn die Kolumne zu esoterisch wird, aber er lässt es durchgehen und stützt ihn. Es werden ruhige und wunderbar konfliktfreie drei Jahre als Mitarbeiter im Feuilleton von Svenska Dagbladet .
    Das Ende kommt aus einem eigentümlichen Anlass. Er schreibt einen Artikel mit der Überschrift »Die Welt der sicheren Sterne « . Und wechselt von SvD zu Expressen .
    Nicht weil an dem Artikel etwas nicht stimmt, offenbar im Gegenteil.
    Der ist ein Angriff auf einen konservativen Debattanten, einen Medizinprofessor mit Namen Björck, der über die neue Linke und die neue Sozialdemokratie klagt. Er schreibt eine Entgegnung auf Björcks Artikel, die durch ihren betrübten liberalen Tonfall im Untertext, durch ihren Wunsch, nie nur Schwarz oder Weiß zu sehen, durch ihre Bereitschaft zuzuhören und durch den plötzlich explodierenden Zorn angesichts jeder Form von Fundamentalismus allgemeine Bewunderung erweckt : kurz gesagt, ein liberales Meisterwerk , aufgrund dessen er teils geliebt wird (auch von dem angegriffenen kulturkonservativen Medizinprofessor), teils, und mit der Zeit stärker, misstrauisch beäugt wird von einigen der intellektuellen Linken, die im Inneren des prächtigen sozialdemokratischen Schafs Enquist mit vollem Recht einen liberalen Wolf ahnen.
    Wenn sie wüssten.
    Er verschweigt ja immer die lange und intensive Indoktrinierung durch das Norran in den Sozialliberalismus und die Liebe der Mutter zu dem schicken Professor Ohlin und ist verwundert, als der Kulturchef von Expressen , Bo Strömstedt, anruft und mit ihm zu Mittag essen will, natürlich stilgerecht im Opernkeller.
    Strömstedt hat den Artikel gelesen, außerdem eine Chronik in der Theaterzeitschrift Dialog , in der er die Eindrücke von den drei Theatervorstellungen zusammenfasst, die er gesehen hat – also die Vorstellungen Nummer zwei bis vier seines bisherigen Lebens; Nummer eins war Bullen Berglunds Schussdrama im Folkets Hus in Bureå –, und Strömstedt möchte, dass er als Literatur- und Theaterkritiker ins Feuilleton von Expressen wechselt.
    Sowie Diskussionsbeiträge zu politischen und anderen Themen schreibt.
    Er sagt fast sofort ja. Nicht, weil er sich beim Svenskan nicht wohl gefühlt hätte, im Gegenteil, er nimmt Abschied in Trauer und glaubt zu wissen, dass sie beiderseitig ist. Auch nicht aus finanziellen Gründen. Gott sorgt dafür, dass auch die kleinen Spatzen unter dem Himmel nicht auf die Erde fallen, und wird sicher auch für ihn sorgen. Selbst wenn die Prognosen miserabel sind, wird der Ausgang schließlich doch, mit Gottes Hilfe, strahlend sein. Er wird nicht in der Würstchenbude stehen müssen.
    Auch nicht, weil der Schritt zum Expressen einem Statusgewinn gleichkäme; überhaupt nicht. Aber ihm gefällt von Anfang an der Tonfall in der Zeitung. Er ist frech, oft roh, widmet unverhältnismäßig viel Platz Vulgaritäten, von denen er sich nicht im Traum eingestehen würde, dass sie ihn interessieren, obwohl es so ist; der Ton im Feuilleton gleicht nicht dem erhabenen Kathedralengefühl in Dagens Nyheter .
    Die Zeitung ist außerdem, politisch gesehen, schizophren im guten liberalen Geist. Chefredakteur ist Per Wrigstad, der die Zeitung mit schwerer Autorität zu einem am Horizont zu ahnenden Sieg der Folkparti führt, der indessen aufgrund von Schwierigkeiten mit dem scheuenden Volk in dem sozialdemokratischen, nahezu albanischen Einparteienstaat auf sich warten lässt. Das ist der Ton der Leitartikelseite. Wrigstad ist aus dem tiefsten Inneren des freireligiösen Småland geholt worden, ist schwer und unverbrüchlich anständig liberal, wenn es so etwas gibt; mit seinem imponierenden und fast furchteinflößenden Äußeren erinnert er den neu angestellten Schreiber an einen bekannten Prediger aus Lövånger, Höllen-Karlsson , der seinen Beinamen dem Umstand verdankt, dass er den Kindern mit den ewigen Höllenqualen Angst einjagte.
    Aber so einfach ist er nicht. In seinem Innern verbirgt sich eine Vaterfigur, die von Zeit zu Zeit Enquist zu sich hineinruft, um, bildlich gesprochen, besorgt danach zu fragen, wie dieser es mit Jesus hält. Nicht dass er den Erlöser nennt. Oder Einfluss ausüben, oder, da sei Gott vor, einen Artikel stoppen will. Aber er scheint den Erweckungshintergrund des jungen, frisch bestallten

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