Ein anderes Leben
Publizisten zu kennen, und ist besorgt, wenn auch verzeihend, mit Hinsicht auf gewisse politische Verirrungen. Es ist keine Machtausübung, nur große Sorge, und dann auf Wiedersehen und gehe hin in Frieden. Wrigstad ist ein Kind der Erweckungsbewegung, das jetzt in einer Machtposition gelandet ist. Als er nach einem gefühlten Jahrhundert in Pension geht und Bo Strömstedt sein Nachfolger wird, geht er dazu über, Weinchroniken zu schreiben. Sie sind sprachlich virtuos, aber mit einem nahezu erotischen Unterton, der ihn an etwas erinnert; vielleicht ist es, auch für ihn, Königin Sibylla?
Der Kulturredakteur Bo Strömstedt, der mit der Zeit einer seiner besten Freunde werden soll, regiert über einen anderen Teil dieses Medienimperiums. Imperium ist das richtige Wort. Die Zeitung hat eine Auflage von sechshunderttausend Exemplaren und wirft enormen Gewinn ab. Aber die Kulturabteilung verwaltet sich selbst. Richtiger gesagt, verwaltet Strömstedt, der im Lauf der Jahre Chefredakteur und der letzte große schwedische Publizist werden wird. Das hat zur Folge, dass sich eine große und, wie gesagt, schizophrene liberale Freiheit zwischen der Leitartikelseite der Zeitung und ihrem Kulturteil entwickelt.
Die Leitartikelseite ist parteitreu und diesbezüglich sehr entschlossen, mit der Selbstsicherheit eines sowjetischen Zentralkomitees. Die Kulturabteilung dagegen, unter Strömstedt, stößt in den sechziger und siebziger Jahren eine Debatte an, die oft direkt im Widerspruch steht zur offiziellen Linie. Viele der wichtigsten programmatischen Artikel der neuen Linken werden im Feuilleton von Expressen gedruckt, oft gefolgt von hitziger Polemik auf der Leitartikelseite.
Es wird als ganz normal empfunden, auf der Leitartikelseite Prügel zu beziehen für Artikel auf den Kulturseiten. Eher ein Verdienst. Uneinigkeit gehört zum Image der Zeitung, es ist, als ob das Selbstbild interner Querelen und der rohe Boulevardton ein Sicherheitsnetz unter dem öffentlichen Gespräch bildeten. Interne Streitigkeiten sind natürlich, fast ein Verkaufsargument, was bei so gut wie allen anderen Zeitungen das Gegenteil ist.
Auf jeden Fall ertrinken alle Gleichschaltungsversuche in den milden Orgeltönen aus Strömstedts Arbeitszimmer. Er hat dort eine Orgel, spielt auch während der Arbeitszeit geistliche Lieder, die er in seiner Kindheit bei der Pfingstbewegung gelernt hat. Auch das gehört bei dieser Zeitung zum Natürlichen.
Heilende Klänge in konflikterfülltem Milieu, gespielt von einem Freikirchler. Zu allem Überfluss schreibt Strömstedt auch noch die beste Prosa von allen Mitarbeitern.
Die Leute der Erweckungsbewegung trifft man ja überall. Auf der Leitartikelseite und auf der Kulturseite und unter den freien Mitabeitern, überall bei der Zeitung Freikirchler in großer, aber ertragener Uneinigkeit, und zu den Klängen von Lewi Pethrus Die Versprechen können nicht brechen .
Er findet die Atmosphäre bei Expressen zutiefst sympathisch, und in der Schizophrenie eine Affinität zu seinen eigenen sowohl fragwürdigen als auch edlen Werten.
Die Zeit ist jetzt eine andere. Es ist etwas geschehen.
Er spürt es schon in den ersten Monaten als Mitarbeiter des Kulturteils im Winter 1965. Es fängt mit einer eigentlich ganz unbedeutenden Episode an; der neue Vorsitzende der Folkparti, Sven Wedén, hat in einer Fernsehdiskussion ein wenig unvorsichtig die Auffassung vertreten, dass diejenigen, die die FNL-Bewegung unterstützten, keine richtigen Demokraten seien und deshalb nicht in die Folkparti passten.
Der unterdrückte Liberale in ihm macht einen Satz, er bestellt sich die Mitschrift. Es stimmt, Wedén hat es wirklich so gesagt. Er schreibt einen scheinbar betroffenen Artikel, der dem neuen Führer der Liberalen mitteilt, dass es wohl viele Parteiaustritte geben wird, und er fügt einen Auszug aus der Fernsehdiskussion bei. Anscheinend kommt es innerhalb der Partei zu einem kleineren Beben, viele Jungliberale stehen mit einem Bein bei den FNL-Sympathisanten, und es wird gemurmelt. Strömstedts Telefon geht. Klagebriefe an Strömstedt werden weitergereicht.
Einen von diesen liest er mit größerem Interesse als andere. Er ist von Bertil Ohlin. ›Meiner Meinung nach war der Artikel des Autors Enekvist so unsachlich, dass er es nicht verdient, als Ausgangspunkt für eine seriöse Debatte genommen zu werden. Enekvist ist gewiss nicht der einzige unter den jungen Schriftstellern, die ohne eine Spur von Zweifel glauben, an der
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