Ein anderes Leben
Lächeln an und sagt Es war äußerst interessant, es ergab ein Dutzend Artikel in meiner sozialdemokratischen Zeitung Briviba . Über die wirtschaftliche Lage in Lettland, mit einigen wirklich äußerst wertvollen Informationen. Zuerst begreift er nicht richtig, was Kalnins sagt, Artikel worüber? Also keine privaten Briefe? Und Kalnins sagt Es hat großes Aufsehen erregt, wir drucken natürlich, ohne Fricis als Autor zu nennen, und dann sagen sie nichts mehr, weil sie beide verstehen.
Er hatte also etwas anderes geschmuggelt als Freundschaftsbriefe. Etwas Explosiveres, Konterbande sozusagen. Und doch weiß er nicht, was folgen wird.
Hatte er sich wie ein Geheimagent gefühlt? Auf jeden Fall wurde die Fortsetzung weniger angenehm.
Einige Zeit nach der Veröffentlichung des Buchs und mitten in der stürmischen Debatte, die sich daran entzündet hat, erscheint in einer exillettischen Zeitung in Deutschland, Latvija , die Nachricht, dass Fricis Menders verhaftet worden ist.
Man zitiert die Zeilen, die in den Ausgelieferten stehen, und erklärt, der anonyme Sozialdemokrat sei Fricis Menders, was ihn empört, weil es Denunziation ist, aber das bedeutet nichts mehr, denn die Wirklichkeit hat ihr Puzzle schon lange gelegt. Man zitiert auch offizielle lettische Quellen, denen zufolge der Grund für Menders’ Verhaftung sei, dass er ›einem amerikanischen Journalisten‹ Staatsgeheimnisse ausgehändigt habe. Dies ist rätselhaft, aber leicht zu durchschauen; man vermutet in der deutschen Zeitung, dass die sowjetischen Behörden den sowjetisch-schwedischen Beziehungen nicht dadurch schaden wollten, dass sie Enquist als den Schmuggelnden identifizieren, der jetzt unter Beschuss der baltischen Exilrechten steht, also vielleicht in Zukunft als nützlicher Idiot dienen kann.
Was ist nun die Wahrheit?
Diese geht aus einem Brief hervor, den er von Bruno Kalnins erhält, der ja durch die Publikation in Briviba in die Tragödie verwickelt ist. Kalnins schreibt:
›Bruder! Einer meiner Freunde war vor einer Woche in Riga und sprach dort mit Frau Lidija Menders. Er durfte vier Briefe von Menders von seinem Deportationsort und auch das Gerichtsprotokoll lesen.
Daraus geht hervor, dass Dr. F. Menders nicht nur aus Riga verbannt ist, sondern zur Deportation verurteilt worden ist (laut Strafgesetz ›sylka‹ auf Russisch, ›nometinajums‹ auf Lettisch), was eine andere Strafe ist als Verbannung. Dies bedeutet, dass Menders seinen Aufenthaltsort nicht selbst wählen durfte, sondern dass dieser von den Behörden bestimmt wird, das heißt vom KGB. Der KGB bestimmte, dass er im Altersheim in Kapini leben muss, im Kreis Kraslava. Menders darf diesen Ort fünf Jahre lang nicht verlassen. Man darf ihn nur mit Genehmigung des KGB besuchen. Bisher hat niemand eine solche Genehmigung bekommen.‹
Sehr klärend. Vollkommen entsetzlich.
Der Rest des Briefs ist ein Bericht über die Sendung, die er mit Kalnins’ Hilfe an Menders geschickt hat: ein Paket mit einem Paar Stiefel sowie Medizin für den herzkranken Menders. Alles auf dem offiziellen Weg geschickt, selbstverständlich, in diesem Fall über eine Person namens Z. Zakenfelds, Pasta kaste 261, Galvenaja pasta, Riga, Lettische Sowjetrepublik. Dieser ist direkt dem ersten Parteisekretär in Lettlands kommunistischer Partei, A. Voss, unterstellt.
Das Paket verschwindet jedoch unterwegs und kommt nie bei Fricis Menders oder seiner Frau Lidija an. Er wundert sich nicht, weil er davon ausgeht, dass die Leute vom KGB klauen wie die Raben. Dies nicht allein aufgrund der Tatsache, dass seine Geldsendungen an die Witwe des Anführers der Legionäre, Elmars Eichfuss-Atvars anfangs – in einer Testsendung – zu ihr gelangen, spätere Sendungen jedoch von der rätselhaften sowjetlettischen Verwaltung aufgesogen werden.
Daraufhin gibt er es auf.
Es war schade um die Herzmedizin für Menders. Menders stirbt auch an seinem Deportationsort, im Jahr 1971. Im Januar 2007 werden im Lettischen Okkupationsmuseum Briefe, Fotos und Aufzeichnungen dieses legendären lettischen Widerstandskämpfers deponiert.
Sie sind wohl auf Durchschlagpapier geschrieben.
Hatte er falsch gehandelt?
Vielleicht. Nicht falsch, das Manuskript zu schmuggeln. Aber er hätte einsehen sollen, dass es explosives Material war. Anderseits war Fricis Menders selbst derjenige, das am besten zu beurteilen.
Aber die Kombination, die Veröffentlichung in Briviba nach dem Besuch sowie die zehn Zeilen in den Ausgelieferten , war
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