Ein Antrag nach Mitternacht
ihretwegen etwas zustoßen, dann wusste sie nicht, was sie tun würde. Der Gedanke an sich war nahezu lähmend.
Sie kniff die Augen zu und verschränkte die Hände. Nein, sie hätte nicht zu Rochford gehen dürfen. Das war dumm von ihr gewesen, dumm und egoistisch.
Gleichzeitig wusste sie aber, dass ihr gar keine andere Wahl geblieben war, und wenn sie noch einmal von vorn hätte anfangen können, sie hätte alles ganz genauso gemacht. Denn Tatsache war, dass von allen Verwandten und Freunden Rochford der eine war, an den sie sich immer wenden würde, wenn sie in Schwierigkeiten war.
Und das, so wurde ihr in dem Moment klar, war die Wahrheit ihres Lebens. Rockford kannte sie besser als jeder andere. Er war der Fels in der Brandung, der eine Mensch, auf den sie sich stets verlassen konnte.
Genau das hatte sie über Jahre hinweg sich selbst gegenüber geleugnet und ihr Bestes gegeben, um so zu tun, als sei das nicht die Realität. Sie hatte ihr Leben als Ehefrau eines anderen Mannes verbracht, sie war Andrew in jeder Hinsicht treu gewesen – nur nicht in der Hinsicht, die wirklich zählte. Denn ihr Herz gehörte Sinclair, ihm hatte es schon immer gehört.
Und daran würde sich niemals etwas ändern.
Sie machte sich nicht vor, dass es für sie noch eine gemeinsame Zukunft geben könnte. Zugegeben, Rochford empfand ein gewisses Maß an Leidenschaft für sie. Angesichts seiner Küsse und Berührungen ließ sich das nicht leugnen. Aber sie wusste, Leidenschaft konnte nicht mit Liebe gleichgesetzt werden, und eine Heirat stand überhaupt nicht zur Debatte.
Diese Hoffnung hatte Francesca bereits aufgeben müssen, als sie die Verlobung löste. Der Duke war ein zu stolzer Mann, und er würde nicht ein zweites Mal um die Hand einer Frau anhalten, die sich von ihm getrennt hatte. Nicht einmal mit noch so viel Fantasie hätte sie glauben können, dass er sie heiraten wollte. Es wäre eine Vernachlässigung seiner Pflicht gegenüber seinem Namen und seiner Familie, würde er eine Witwe ehelichen, die ihm keine Kinder schenken konnte.
Nein, Rochford kannte seine Pflichten, und er würde eine Frau von einer anderen Art heiraten. Warum hätte er sich auch sonst auf die Suche nach einer Braut begeben?
Ihre Liebe würde ihr selbst keine Befriedigung geben können, und doch gab es da etwas tief in ihrem Inneren, das auf dieses Wissen mit Wärme reagierte. Viele Jahre lang war das Herz in ihrer Brust ein kalter Stein gewesen, und dass es nun wieder zu echten Gefühlen fähig war, hatte etwas Berauschendes an sich.
Sie beugte sich vor, als sie einen Mann sah, der sich ihrem Haus näherte. Angespannt wartete sie, dass er näher kam.
„Sinclair!“ Tränen stiegen ihr in die Augen, als sich die große Gestalt als der Duke entpuppte.
Sie sprang auf, nahm die Kerze und eilte zur Tür. Dort stellte sie die Kerze auf den Tisch und schob den Riegel zur Seite, dann zog sie die Tür auf. Soeben bog Rochford in den Weg ein, der zu ihrem Haus führte.
„Sinclair!“
Er hob den Kopf und lächelte sie an, während Francesca die Stufen hinuntereilte und sich ihm an den Hals warf. Sofort legte er die Arme um sie und küsste sie. Eine Weile standen sie eng umschlungen da, ihre Lippen wie miteinander verschmolzen, den Rest der Welt hatten sie vergessen.
Schließlich aber erinnerte sich Francesca daran, wo sie beide standen und was sie taten, woraufhin sie ihn losließ und einen Schritt nach hinten trat, wobei sie ein wenig unsicher lachte.
„Ich war so in Sorge. Kommen Sie rein, kommen Sie rein …“ Sie nahm seine Hand und führte ihn nach drinnen, während sie kurz ihren Blick über die dunkle Straße wandern ließ.
So wie beim letzten Mal, als er spät am Abend erschienen war, schlichen sie auch jetzt durch den Flur, diesmal aber ins gemütliche Wohnzimmer.
„Was ist geschehen?“, fragte sie, als sie die Tür hinter sich schloss und sich zu ihm umdrehte. „Haben Sie Perkins gefunden?“
„Ja.“ Er fasste in die Jackentasche und zog ein Blatt heraus, das er auseinanderfaltete, ehe er es ihr gab. „Hier ist das Schreiben. Ich schlage vor, Sie verbrennen es.“
Fast ungläubig nahm sie das Blatt an sich und bemerkte dabei, wie sehr ihre Finger zitterten. „Sie … Sie haben ihm kein Geld gegeben?“
„Nein, und das schwöre ich Ihnen auch.“
„Und Sie haben ihn auch nicht getötet?“
Ein flüchtiges Lächeln umspielte seine Mundwinkel. „Auch das nicht. Ich habe den Burschen überredet, England zu verlassen. Ich
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