Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan
nach so einer Erfahrung kann man zwischen Schleimern, die einem nur nach dem Munde reden, und echten Freunden, die da sind, wenn man sie braucht, wunderbar unterscheiden.
Nach jahrelanger Terminverschiebung meinerseits war es 1996 endgültig: Der Musterungstermin stand an.
Zu diesem Zeitpunkt jobbte ich schon seit etwa fünf Jahren mal hier, mal da. In Berufen, die sonst keiner machen wollte, aber ich verdiente mein eigenes Geld.
Es gab wenige Dinge, von denen ich wusste, dass ich sie wollte. Aber es gab immerhin viele Sachen, von denen ich ganz genau wusste, dass ich sie nicht wollte. Ganz oben auf der Liste stand die Bundeswehr. Mit einer Knarre durch den Matsch robben und mich von Leuten für einen Hungerlohn anschreien und zum Vollidioten machen lassen? Das wollte ich nicht. Auf gar keinen Fall. Wenn ich darüber nachdenke, dann kann es eigentlich nur am Matsch und der Knarre gelegen haben. Denn in den Augen aller anderen war ich ja sowieso schon der Vollidiot. Ich will jetzt nicht rumjammern (Das ist übrigens ein Satz, den Männer noch öfter sagen als »Ich schaffe völlige Transparenz!«), aber wenn man mich fragen würde, ob ich damals viel Scheiße gefressen habe, dann kann ich klar antworten: Ja!
Kennen Sie das Gefühl, morgens um fünf Uhr dreißig aufzustehen, weil Sie um sieben Uhr auf der Baustelle sein müssen? Am besten ist man schon vor sechs Uhr in der U-Bahn. Erstens, damit man rechtzeitig da ist und nicht schon vor Arbeitsbeginn den ersten Einlauf kassiert. Zweitens, je früher man in die U-Bahn steigt, desto geringer ist die Gefahr, auf Kontrolleure zu treffen. Und der dritte Grund ist der einfachste. Schnell duschen und raus, damit das Hirn keine Zeit bekommt zu verarbeiten, was das Auge ihm zeigt: Es ist nix zu fressen da.
Also, alte Klamotten an. Am besten die von gestern oder vorgestern, denn die waren auch in der letzten und vorletzten Woche noch gut und haben den Riesenvorteil, dass man sie nicht aufzuhängen braucht, weil sie von alleine stehen können. Dann in die U-Bahn rein und ab nach Berlin-Hohenschönhausen, auf die Baustelle, und frisch ran ans Tagewerk. Mit einem Fäustel den Putz von der Wand holen, bis man keinen Finger mehr bewegen kann. Dann alles zusammenfegen, in eine Karre schippen, von der Karre in eine Röhre, durch die Röhre nach unten in einen Container. Dann selbst nach unten und den Container plätten. Auf dem Weg nach oben die neuen Platten greifen, die messerscharfen Kanten ignorieren und sie in den vierten Stock schleppen. Dann wieder runter. Zwischendurch Mittagspause. Der oberste Chef ist selten da. Der Chef meiner kleinen Einheit ist mein eigener Vater, der als Subunternehmer für die Baufirma arbeitet und dessen einziger Angestellter ich bin. Das Ganze fünf- bis sechsmal die Woche. Und man denkt tatsächlich darüber nach, ob es bei der Lehre als Kaufmann im Einzelhandel nicht doch schöner gewesen war.
Definitiv nicht viel schöner war es im Zoo. Dort war mein Job, die Meerschweinchen zu füttern, die dann selbst zu Futter gemacht wurden. Mein Chef hatte seine eigene Methode, die kleinen Muckis zu Leckerbissen für größere Tiere zu verarbeiten. Er kam, sah und griff ins Gehege. Er nahm ein Meerschweinchen in die Hand, holte aus und schmiss es mit voller Wucht auf den nackten Betonboden. Der Aufprall führte stets zum sofortigen Tod des Tierchens. Er hat das allerdings nicht gemacht, weil er ein gnadenloser Sadist gewesen wäre. Seine Methode war einfach schnell und effektiv und bewirkte, dass das Tier sich nicht lange quälen musste. Eben noch am Salat, dann kurz auf dem Arm. Und schon ist die Seele im Meerschweinchenhimmel und der Körper auf dem Weg in ein größeres Tier. Die Hühner hat er auf den Schoß genommen und gestreichelt und mit ihnen geredet. Dann hat er ihnen blitzschnell den Hals umgedreht und es war zu Ende, bevor sie auch nur etwas ahnen konnten.
Als Putzkraft dagegen hat man deutlich weniger mit dem Thema Tod zu tun gehabt. Als Putzkraft hat man quasi eine Tarnkappe auf. Wenn man auf dieser Welt unsichtbar werden will, dann sollte man putzen gehen. Denn keiner möchte anscheinend etwas mit Leuten zu tun haben, die für einen Dumpinglohn den Dreck anderer Leute wegmachen. Da gucken alle weg.
Ein Traum ist es zum Beispiel, in einer Kita zu putzen. Wenn auf einmal eine miterziehende Mutter vor einem steht und in einem herablassenden Ton fragt, ob man kurz die Zeit erübrigen könnte, einmal mit ihr mitzukommen und unter die
Weitere Kostenlose Bücher