Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ein Bär im Betstuhl

Titel: Ein Bär im Betstuhl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
Vom Netzwerk:
Der Landwirt und Gottes ständiges Ärgernis Santeri Rehkoila wurde in der dritten Juliwoche an einem Bal-ken hängend aufgefunden. Er war in seinen verwaisten Kuhstall geschlurft und hatte an die Decke der Futter­ küche ein Seil geknüpft, und da hatte er dann ein paar Tage gehangen, bis man ihn vermisste und auf die Su­ che ging. Zum Glück war seine Frau nicht anwesend, als man den Selbstmörder aus seiner letzten Schlinge befreite, denn Saimi Rehkoila war eine gläubige und empfindsame Frau, während der Tote zu Lebzeiten ein roher und kaltschnäuziger Kerl gewesen war. Santeri war gerade achtundsiebzig geworden, bevor er starb. Seine Frau war ein Jahr jünger. Die Kinder hatten na­ türlich längst den Hof verlassen, und in dem großen, öden Bauernhaus blieb nun die zarte, graue Witwe ganz allein zurück, deren ganze Welt wegen des gewaltsamen Todes ihres Mannes zusammengestürzt zu sein schien.
    Als der Todesfall bekannt wurde, besuchte Pastor Huuskonen sofort die trauernde Witwe, um sie zu trös­ ten und Aussegnung und Begräbnis mit ihr zu bespre­ chen. Saimi Rehkoila war verweint und völlig verzweifelt. Sie befürchtete außerdem, dass Santeri nicht auf dem Friedhof beerdigt werden würde, da er sich aufgehängt und nicht seinen natürlichen Tod abgewartet hatte.
    Der Pastor erklärte ihr, dass die Toten heutzutage nicht mehr nach ihrer Todesart eingeteilt würden und dass Selbstmorde inzwischen dermaßen üblich seien, dass sie nicht mehr als Ausnahmeerscheinung galten. Doch wen ein solcher Schicksalsschlag traf, der hatte natürlich schwer daran zu tragen.
    Er empfahl der Witwe, Doktor Sorjonen im Gesund­ heitszentrum aufzusuchen. Während des schlimmsten Kummers könnte ein Beruhigungsmittel hilfreich sein, auch Schlaftabletten wären vielleicht nicht verkehrt. Natürlich würde ihr während dieser Zeit der Prüfung auch festes Vertrauen auf Gott die Kraft geben, den Schmerz zu ertragen. Der Pastor organisierte für Saimi während der schlimmsten Trauerphase eine Haushalts­ hilfe, die bei den praktischen Vorbereitungen der Beer­ digung half und auch eine seelische Stütze war. So wurde denn Santeri Ende Juli zu Grabe getragen, aber die Witwe schien immer mehr zu verzweifeln. Der Pastor suchte die trauernde Frau mehrmals auf und führte mit ihr tröstliche, seelsorgerische Gespräche.
    »Mein ganzes Leben ist jetzt so schrecklich leer«, klag­ te die Witwe. »Obwohl Santeri so wild und manchmal auch garstig war, ist für mich doch alles zusammen­ gebrochen, nachdem er auf diese Weise von mir gegan­ gen ist. Mir ist nichts geblieben, rein gar nichts. Dieses ganze große Haus ist öde und leer, es sind keine menschlichen Stimmen mehr zu hören, niemand sieht mich an, nirgendwo ist Leben. Mir ist, als wäre ich schuld an Santeris Tod, weil ich seine Schwierigkeiten nicht erkannt habe.«
    »Im Angesicht des Todes ist der Mensch allein und verwirrt«, sprach Pastor Huuskonen teilnahmsvoll. Im Stillen dachte er, dass der alte Kerl so viel Trauer nicht verdiente. Er hatte Santeri Rehkoila gut gekannt, und der war ein boshafter Mensch gewesen, ein ewiger Streithammel, dazu faul und gewalttätig, und im Suff hatte er seine Frau oft grün und blau geschlagen. Sante-ri hatte aus seinem Getreide Schnaps gebrannt und war deshalb mehrmals vors Landgericht zitiert worden, in der ganzen Gemeinde liefen uneheliche Kinder von ihm herum, er hatte wegen mehrfachen Betruges und wegen Trunkenheit am Steuer im Gefängnis gesessen. Großer Gott, der Mann war ein einziges Ärgernis gewesen, aber seine Witwe hatte ihm alles verziehen und sprach mit dünner, gebrochener Stimme von ihrer Qual.
    »Eine steinerne Last drückt auf meine Schultern, ich gräme mich und weine manchmal stundenlang. Auch das Essen schmeckt mir nicht, es ist schrecklich, nur für sich allein aufzudecken, wenn man mehr als vierzig Jahre lang für zwei gekocht hat. Manchmal wache ich nachts davon auf, dass ich träume, Santeri sei aus der Stadt heimgekommen und neben mir ins Bett gefallen, aber wenn ich meine Hand ausstrecke, um seine Stirn zu berühren, ist das Bett leer, die Decke ist kalt und feucht und riecht nicht mehr nach Santeri.«
    »Die Sehnsucht nach dem toten Ehepartner ist ganz natürlich. Manchmal ist die Liebe zu dem Verstorbenen so stark, dass sie als körperliche Qual empfunden wird«, erklärte der Pastor. Laut polizeilicher Untersuchung stellte sich Santeris Selbstmord so dar, dass seine aus­ wegslose Situation der Auslöser

Weitere Kostenlose Bücher