Ein Bär im Betstuhl
die Idee nicht übel und dachte an Sonja Sammalistos Kurven. Er könnte Win terurlaub nehmen und sich gemeinsam mit der Wissen schaftlerin in der Bärenhöhle einquartieren, die Matrat ze war dick und breit genug.
Als der Pastor wieder auf der Baustelle war, nagelte er die Dachisolierung fest. Sonja Sammalisto schleppte ihren Computer in die Bärenhöhle und arrangierte dort auch ihre Bücher und das übrige Forschungsmaterial.
Schließlich schoben alle mit vereinten Kräften den al-ten Teddybären hinein, den Oskari bei Stockmann ge kauft hatte. Sie bugsierten ihn in die hinterste Ecke, drehten an seinen mechanischen Gelenken, bis er in Schlafstellung lag, dann drückten sie Sapperlot in seine Arme. Der Bär war bereits ziemlich schläfrig und wehrte sich kaum, trotzdem fand er die Höhle offenbar seltsam. Die Männer ließen ihn sein neues Zuhause in Ruhe untersuchen. An der Höhle mussten noch die letzten Arbeiten vorgenommen werden. Der Elektriker kam und zog die Kabel, der Installateur legte den Wasseran schluss, und Sonja Sammalisto holte ihr Faxgerät aus dem Koffer. Ein Telefonkabel wurde in die Höhle gelegt, an dem ein Modem angeschlossen wurde. Es war ein Mietanschluss, und der Pastor ordnete an, die Rech nungen ins Pfarramt zu schicken. Zum Schluss wurde die Klimaanlage eingebaut. Sonja Sammalisto erklärte, dass die Temperatur wegen der empfindlichen, wissen schaftlichen Geräte möglichst konstant gehalten werden müsse, somit war die Anlage von großem Nutzen.
Schließlich war die Höhle fertig. Noch hatte es nicht geschneit, sodass die Männer aus dem nahen Win tersportzentrum die Schneekanone holten und die Höhle mit einer etwa fünfzig Zentimeter dicken Schicht be deckten. Witwe Rehkoila wachte in der ersten Nacht beim Bären. Als sie morgens aus der Höhle kam, erzähl te sie, dass Sapperlot wegen der fremden Umgebung zunächst ein wenig unruhig gewesen sei, aber dann habe ihn der Schlaf übermannt, und es habe keine größeren Probleme mehr gegeben. Sonja Sammalisto rasierte den Bären auf der Brust und über der Stirn und befestigte dort ihre Elektroden und Impulsgeber, dann schaltete sie den Computer und die Klimaanlage ein. Sie zog den Vorhang zwischen dem Bären und dem For schungsraum zu und warf sich auf die Matratze, um eine Illustrierte zu lesen. Es wurde vereinbart, dass Pastor Huuskonen am Nachmittag käme, um sie abzulö sen, und in der Nacht wollte Witwe Rehkoila wieder dem Bären Gesellschaft leisten.
In dieser Woche, da der Bär in den Schlaf gebracht wurde, entwarf der Pastor eine Predigt auf der Grundla ge des Matthäus-Evangeliums Kapitel 14, Vers 22-33. Darin geht Jesus über das Wasser, und auch Petrus wird diese wundersame Fähigkeit verliehen. Allerdings verfällt Petrus dem Unglauben, und er versinkt in den Wellen, Jesus holt ihn aber wieder an die Oberfläche und hilft ihm ins Boot.
In der Bärenhöhle versenkte sich der Pastor geistig in den Bibelstoff, verfiel in tiefe Kontemplation, beschäftig te sich mit dem genauen Textlaut und rekapitulierte exegetische Literatur. Im Allgemeinen schrieb er seine Predigten schneller, doch ab und zu arbeitete er auch gern einmal so gründlich, wie er es in seiner Ausbildung gelernt hatte. Schließlich gibt es spezielle Methoden, um Gottes Wort in der Kirche zu verkündigen, und auch ein erfahrener Pastor tut hin und wieder gut daran, seine Predigt sorgfältig vorzubereiten. Besonders jetzt, da Huuskonen in der Bärenhöhle lag und dem leisen Summen der Klimaanlage lauschte, kreisten seine Ge danken ganz automatisch um religiöse Fragen, so wie einst, als er ein gläubiger Hilfsprediger gewesen war.
Oskari Huuskonen dachte über den Sinn der Apologe tik nach. Apologie bedeutet Verteidigung, und in diesem Falle ist die Apologetik ein theologischer Wissenschafts zweig, der sich mit den Methoden zur Verteidigung des christlichen Glaubens beschäftigt. Die Wissenschaftler anderer Bereiche pflegen unverbesserliche Skeptiker, ewige Zweifler, manchmal auch regelrechte zynische Deibel zu sein, und um ihren Glauben steht es nicht zum Besten.
Der Pastor hatte in seiner Dissertation haufenweise hochwissenschaftlich klingende Bibeldeutungen aufge führt, aber während er jetzt so in der Bärenhöhle lag, bekam er das Gefühl, dass die ganze Apologetik und zumindest die Apologie nur Schall und Rauch waren. Wozu den christlichen Glauben wissenschaftlich bewei sen, wenn der eigene Glaube zu wanken
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