Ein Bär im Betstuhl
Kirchenschiff der Falschgläubigen umfunktioniert. Warum gehen Sie nicht auf die Alla Tarasowa, wenn sie mit deren Kapitän doch so innig vertraut sind.«
Huuskonen erzählte, dass das Schiff gekapert worden und in der Barentssee verschollen sei, der Kapitän sei erschossen worden.
»Das wundert mich gar nicht«, sagte der junge Mann. Huuskonen gab nicht auf, er spielte seinen letzten
Trumpf aus:
»Wenn Sie an den Predigten nicht interessiert sind, so könnte ich doch mit meinem Bären, der tanzen und Hemden bügeln kann, an Bord kommen. Seine Auftritte im Nachtklub sind sehr populär.«
Der Kapitän fand, dass das Ganze immer verrückter wurde. Er erklärte mit Nachdruck, dass es aus seiner Sicht völlig undenkbar sei, ein wildes Raubtier an Bord zu nehmen, das die Leute erschrecke.
»Soweit ich über Bären im Bilde bin, sind sie in der Lage, einen ganzen Menschen aufzufressen. Es kommt überhaupt nicht in Frage, dass ich mit einer obskuren Person Ihresgleichen in irgendeine Form der Zusam menarbeit trete.«
Der Kapitän begleitete Huuskonen zum Motorboot und informierte die Deckleute, dass sie den besagten Herrn nicht wieder an Bord lassen sollten. Man schaffte Huuskonen nach Solowezk zurück. Wie es schien, wür de sich in diesem Sommer keine neue Gelegenheit bie ten, zusammen mit dem Bären die Insel zu verlassen.
Tanja Mihailowa war eigentlich froh, dass es Oskari und Sapperlot nicht gelungen war abzureisen. Ihrer Meinung nach konnte der Bär gut in den Wäldern der Insel überwintern, und Oskari konnte bei ihr in der Nähe des Klosters wohnen. Sie besaß zwar nur ein kleines Zimmer in einer Gemeinschaftswohnung, aber für einen korrekten Mann wie den Pastor fand sich dort bestimmt ein Platz. In der Funkbaracke konnte er nicht für länger bleiben, denn sie war eine Einrichtung des russischen Staates, und der Aufenthaltsraum sollte den Mitarbeitern zum Ausruhen dienen.
Pastor Huuskonen schaffte seine wenigen Sachen von der Funkbaracke in Tanjas Wohnung. Er fand es schön, wieder im Haushalt einer Frau zu leben. Sapperlot war allerdings inzwischen so groß und fraß so viel, dass Huuskonen es sich zur Gewohnheit machte, tagsüber mit ihm in den Wald zu gehen. Sie kamen erst spät abends zurück und versuchten, den Hausfrieden nicht zu stören.
Der Bär fühlte sich auf der Insel sehr wohl. Morgens packte Huuskonen Proviant ein und führte Sapperlot an der Leine nach draußen. Sie gingen auf der Landstraße, die zum Berg Sekirnaja führte, ins Innere der Insel, erkundeten die mit kleinen Waldteichen und Seen ge sprenkelte Landschaft und lebten wie die Tiere des Waldes. Sie aßen Blaubeeren und Pilze, und der Pastor baute am Ufer eines dunklen Waldteiches einen Unter stand, den er mit einer dicken Schicht Fichtenzweige bedeckte. Die Insel war mit dichtem Wald bewachsen, hier und dort standen vertrocknete Fichten, die Huuskonen fällte, um Brennholz zu gewinnen. Oft blieb er mit seinem Bären sogar mehrere Tag draußen und suchte Tanjas Wohnung nur auf, um Wäsche zu wa schen und die Nahrungsreserven zu ergänzen.
An ihren freien Tagen leistete Tanja den beiden drau ßen Gesellschaft. Sie brachte dem Bären bei, Trepak zu tanzen. Zuerst war er von der Sache ziemlich befremdet, aber als er dahinter kam, beherrschte er die Schritte und Sprünge bald besser als seine Lehrerin. Huuskonen sang Kosakenlieder, und Sapperlot und Tanja tanzten dazu. Der in Kirchen geschulte Bariton des Pastors eignete sich gut als musikalische Begleitung in der Tanzschule im Wald.
Oskari lobte Tanjas Tanzkünste. Sie freute sich darüber und sagte, dass die russischen Frauen berühmt seien für ihre diesbezüglichen Talente, und außerdem seien sie auch ausgezeichnete Schauspielerinnen.
»Aber ich bin wahrscheinlich die Einzige, die mit ei nem Oskari belohnt wurde.«
An jenen klaren Spätsommertagen verspürte Oskari Huuskonen ein vages Gefühl von Glück, und das mach-te ihm irgendwie Angst: Hielt das Leben für einen al ternden Kerl wie ihn tatsächlich noch ein bisschen Freude und Zufriedenheit bereit? Wann würde ihm für diese Tage und Wochen in Solowezk die Rechnung prä sentiert? Oder hatte er für die paar Freuden schon vorab bezahlt? Vielleicht hatte er auf dieser Welt schon genug gelitten, sodass ihm jetzt das Schicksal – nein, nicht Gott – die Tür zu der etwas helleren Seite des Lebens aufstieß.
Nun, was das Schicksal anging, so glaubte Oskari Huuskonen auch daran nicht recht. Vielmehr
Weitere Kostenlose Bücher