Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ein Bär im Betstuhl

Titel: Ein Bär im Betstuhl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
Vom Netzwerk:
Schintoismus bei, an die er sich zufällig erinner­ te. Im Übrigen war der Bär sehr begierig darauf, die Zeichensprache der Gläubigen zu lernen. Wenn Huuskonen ihm den Befehl gab zu beten, dann vibrier­ ten seine Nüstern, und die Lippen bewegten sich, so wie der Pastor es ihm beigebracht hatte. Die Bibel hielt er geübt in den Tatzen und blätterte darin, so als könnte er das Evangelium lesen.
    Zwischen den Unterrichtsstunden gab es deftige Mahlzeiten, oft russisches Schwarzbrot mit Fleisch von Robben aus dem Weißen Meer, dazu literweise Waldbee­ ren. Wenn Sapperlot seine Notdurft verrichten wollte, suchte er jedes Mal nach einem Toilettenbecken, da er an die Benutzung gewöhnt war, aber als er sah, dass sowohl Tanja als auch Oskari schamlos ihre Haufen in den Wald setzten, hockte er sich ebenfalls ins Moos und ließ sein Gekröse fallen. Den Hintern wischte er sich mit Moos ab, wie es sich für einen sauberen und kultivierten Bären gehörte.
    Zum wichtigsten Unterrichtsstoff zählten jedoch die Arbeiten eines Dieners und allgemeine Hauswirtschaft. Es war ein sehr vielfältiges Programm und beinhaltete unter anderem Hemdenbügeln, Koffertragen, Cocktail­ mixen und Bettenmachen. Der Pastor brachte Sapperlot auch bei, ans Telefon zu gehen, Radio zu hören und fernzusehen. Als Anschauungsmittel benutzte er alte, ausgemusterte Geräte der Telegrafenstation, die er extra in den Wald schleppte. Das Telefon schnitzte er aus einem Birkenknorren, auf den er die Tastatur mit schwarzer Farbe aufmalte, es handelte sich also um ein digitales Lehrtelefon.
    Der Pastor zeigte Sapperlot auch, wie man sich die Zähne putzt und rasiert und in den Spiegel sieht. Richtig rasieren durfte er sich allerdings nicht, denn zu einem Bären gehört nun mal ein haariges Gesicht.
    Weiterhin lehrte der Pastor ihn, einfache Gerichte zuzubereiten, wie Salat und belegte Brote. Manchmal verschlang Sapperlot die Zutaten mitten im Unterricht, doch besonders Salat brachte er halbwegs zustande, obwohl Oskari zugeben musste, dass das Zeug wie Schrot schmeckte.
    Außer dem Koffertragen lernte Sapperlot auch Koffer­ packen, und bald war er auf diesem Gebiet schnell und effektiv. Er bekam zum Üben einen alten russischen Koffer und musste ihn zigmal mit Oskaris alten Unter­ hosen und anderem Kram voll stopfen. Schließlich gelang es ihm innerhalb von zwei Minuten, was als wirklicher Erfolg zu werten war. Um den Bären für gute Leistungen belohnen zu können, kaufte Oskari Huusko­ nen in der Kantine der Klosterbaustelle literweise Wa­ benhonig und Brotbier, das Sapperlot besonders moch­ te. Huuskonen hatte noch reichlich Rubel von seinem Autoverkauf in Murmansk übrig und hatte bisher noch keine Dollar gegen die örtliche Währung eintauschen müssen. Den Wodka, den er bekommen hatte, hatte er allerdings längst ausgetrunken.
    Für jenen Sonntag im September lautete der Text aus dem Alten Testament, 1. Kö. Kap. 18, Vers 36-39:
    »Und da die Zeit war, Speiseopfer zu opfern, trat Elia, der Prophet, herzu und sprach: ›Herr, Gott Abrahams, Isaaks und Israels, lass heute kund werden, dass du Gott in Israel bist und ich dein Knecht, und dass ich solches alles nach deinem Wort getan habe! Erhöre mich, Herr, erhöre mich, dass dies Volk wisse, dass du, Herr, Gott bist, dass du ihr Herz darnach bekehrest!‹ Da fiel das Feuer des Herrn herab und fraß Brandopfer, Holz, Steine und Erde und leckte das Wasser auf in der Grube.
    Da das alles Volk sah, fiel es auf sein Angesicht und sprach: ›Der Herr ist Gott, der Herr ist Gott!‹«
    Dieser Appell Elias an Gott und Gottes nachdrückli­ che Antwort kamen Pastor Huuskonen in den Sinn, als er nach einer tüchtigen Mittagsmahlzeit in der Schutz­ hütte lag und in den Himmel schaute. Über dem Berg Sekirnaja zeigte sich eine Gewitterwolke, die nördlich aus dem Meer aufstieg und bald schwarz und bedroh­ lich aussah. Dann schlug der Blitz in den Berg ein, die Erde bebte, und es schien, als hätte Gott sich gezeigt. Aber Sapperlot warf sich nicht aufs Gesicht und betete auch nicht zum Herrn, sondern lag einfach zufrieden auf den Fichtenzweigen. Ein Raubtier des Waldes ver­ langt keine Zeichen von Gott, und es hat auch keine Angst vor Gewittern.
    SAPPERLOT BAUT EINE HÖHLE
    Im vergangenen Winter hatte Sonja Sammalisto dem Pastor die Biologie und die Lebensfunktionen der Bären erklärt. Der Jahresrhythmus der Petze hat seine Beson­ derheiten hinsichtlich der Winterruhe und mancher anderer Dinge. Das

Weitere Kostenlose Bücher