Ein Bär im Betstuhl
einiger maßen gebildeten Kandidaten gewählt würde. Dieser Chef der Menschheit bekäme einen Kontrolleur an die Seite gestellt, der das Vetorecht bei Entscheidungen des Diktators, aber keine eigentliche weitere Macht besäße.
Im Rahmen seiner historischen Studien war Huusko nen darauf gestoßen, dass während der Grenzstreitigkei ten zwischen der russisch-karelischen und der nordfin nischen Bevölkerung im 16. Jahrhundert die Kirchen glocke von Manamansalo am Oulujärvi geraubt und nach Solowezk verbracht worden war. Nun begann er davon zu reden, dass man diese alte Kostbarkeit eigent lich nach Finnland zurückführen könnte, vielleicht würde die finnische Kirche sogar etwas dafür bezahlen.
Diesen Gedanken hätte er besser nicht laut ausspre chen sollen. Jetzt kühlten sich seine Kontakte zu den Einheimischen endgültig ab, die Mönche blieben fortan dem Speerwerfen fern und ließen sogar dahingehende Äußerungen fallen, dass der verrückte finnische Pastor mitsamt seinem Bären von der Insel verbannt werden sollte. Einige einheimische Rowdys fanden jedoch, dass das nicht reichte, Huuskonen müsse getötet und bei der Gelegenheit auch gleich der Bär gehäutet werden. Das Fell könnten sie dann in Murmansk an Norweger oder Finnen verkaufen. Sie vermuteten bei Huuskonen eine Menge Geld, hatte er doch dem Vernehmen nach in Murmansk sein Auto verkauft, ehe er nach Solowezk gekommen war. Also abmurksen, den Mann!
Es war inzwischen März geworden. Um diese Zeit lief Tanjas Jahresvertrag als Funkerin auf der Insel aus, und sie wagte ihn nicht zu verlängern, denn auch sie wurde inzwischen scheel angesehen, weil sie sich mit dem irren finnischen Pastor eingelassen hatte.
Das Weiße Meer war noch vereist. Tanja schlug vor, Sapperlot zu wecken, denn der dürfte genug geschlafen haben, immerhin war bereits März. Dann könnten sie heimlich über das Eis zum Festland laufen. Wenn sie warten würden, bis der Bär von sich aus erwachte, wäre das Meer vielleicht eisfrei, und es wäre fraglich, wann das erste Schiff käme, das Huuskonen und Sapperlot als Passagiere aufnehmen würde.
»Ich habe das Gefühl, dass es sehr gefährlich ist, noch länger hier zu bleiben«, erklärte Tanja.
Eigentlich hatte auch Pastor Huuskonen genug von Solowezk und von ganz Russland. Sie schritten zur Tat: Tanja packte ihre wenigen Sachen, Huuskonen die seinen, und sie luden alles auf einen großen Schlitten, der ein wenig an die früheren finnischen Wasserschlit ten erinnerte. Tanja sammelte die Computerausdrucke ein und heftete sie in eine Mappe. Dann, eines Abends, als alles fertig war, gingen sie zur Höhle, um Sapperlot zu wecken. Der aber lag in tiefem Schlaf und machte keine Anstalten, aufzustehen und den neuen Frühling zu begrüßen. Huuskonen schaufelte den Schnee vor dem Höhleneingang beiseite und kroch hinein, aber er musste sich sofort wieder zurückziehen, denn der Bär brummte dumpf und erkannte seinen Herrn nicht mehr. Nun stocherte Huuskonen mit dem Skistock in der Höhlenöffnung. Sapperlot knurrte wütend, kam aber nicht heraus. Tanja und Oskari riefen ihm beim Namen, aber es half nichts.
»Na, hol’s der Beelzebub«, schimpfte Huuskonen und kroch wütend erneut hinein. Er war im Nu wieder drau ßen, der Bär hatte ihn hinausgeschleudert und kam selbst hinterhergesaust, er packte Huuskonen am Schlafittchen und schüttelte ihn, fletschte die Zähne und knurrte böse. Jetzt eilte Tanja zu Hilfe, sie warf sich zwischen den Bären und seinen Herrn, zog das Tier an den Ohren und kreischte – und von nun an nannten sie den Bären Beelzebub. Schließlich aber kam er zur Be sinnung und erwachte endgültig aus dem Winterschlaf, er erkannte Oskari und Tanja und wurde sofort ganz sanft. Er schämte sich sehr für sein Verhalten, leckte den beiden abwechselnd das Gesicht und versuchte sogar mit seinem Schwanzstummel zu wedeln, doch der Schwanz der Bären ist nur eine Spanne lang und unter dem dicken Pelz fast nicht zu sehen.
»Er hat mich zuerst gar nicht erkannt«, sagte der Pastor, während Tanja den Schnee von seinen Kleidern klopfte.
Beelzebub bekam ein Band um den Hals, und dann machten sie sich auf den Weg. Der Schlitten, beladen mit den Koffern und dem übrigen Umzugsgut, unter anderem Tanjas Nähmaschine und Beelzebubs Bügelei sen, stand am Ufer auf dem Eis bereit. Sie warteten die Dämmerung ab, und dann schob Huuskonen den Schlitten an. Tanja führte den Bären. Sie folgten dem Kompass in
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