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Ein Bär im Betstuhl

Titel: Ein Bär im Betstuhl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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kommandieren dürfen, die Gesetze des Landes hatten in Solowezk nichts gegolten.
    Pastor Huuskonen schrieb über diese schreckliche Zeit einen ausführlichen Artikel, den er ins Englische übersetzte und an die internationale Presse in London, Berlin und Paris schickte. Dort erregte die Geschichte die verdiente Aufmerksamkeit, und in gekürzter Fas-sung erschien sie im Laufe des Winters in vielen Län­ dern.
    Huuskonen war voller Eifer und Energie, er verfasste Texte über die Geschichte der Klosterinsel, lauschte den Geräuschen im Kosmos, inspizierte die Bärenhöhle, und – das muss leider auch erwähnt werden – er trank Wodka wie ein Russe. Er hatte sich zum Sachwalter der großen Dinge gemacht: Ihn beschäftigten Vergangenheit und Zukunft der Erde und der ganzen Menschheit, das Entstehen und die Vergänglichkeit alles Existierenden.
    FLUCHT ÜBER DAS WEISSE MEER
    Nach Weihnachten hatte Oskari Huuskonen den Einfall, in Solowezk eine finnisch-russische ökumenische Konfe­ renz abzuhalten, an der er als Vertreter der finnischen Kirche teilgenommen hätte, während die griechisch­ orthodoxe Kirche durch die wenigen Mönche vertreten worden wäre, die sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wieder in Solowezk niedergelassen hatten.
    Dieser an sich harmlose Vorschlag fand keinen Beifall, sondern war eher dazu angetan, die Beziehungen zwischen Huuskonen und den örtlichen Einwohnern zu belasten. Die Mönche waren ungebildet und in ihrem Glauben unerschütterlich, schon allein der Gedanke an eine Zusammenarbeit mit einem lutherischen Pastor oder einen Gedankenaustausch über religiöse Fragen war ihnen unsympathisch. Sie bekamen Zweifel an Huuskonens Absichten, und plötzlich erschien sein astronomisches Hobby und sein Interesse für die Geschichte der Klosterinsel in ganz neuem Licht. Viele Einheimische hielten den Pastor für einen Spion.
    Dessen ungeachtet befasste sich Huuskonen weiter mit der Geschichte von Solowezk und schrieb Artikel über die einzelnen Phasen des Klosters: Die Eremiten Sosima, Savvati und Herman hatten sich, angewidert von der Welt, in den Zwanzigerjahren des fünfzehnten Jahrhunderts auf der Insel niedergelassen. Sie hatten eine Art Kloster gegründet und hatten sehr gehungert und gefroren. Aber da Leiden gottgefällig war, war dies alles in Ordnung gewesen. Das damals noch mächtige Nowgorod hatte den Mönchen eine Schenkungsurkunde übergeben, mit der ihnen die Insel zugesprochen worden war. Alles bestens, auf einer Insel im Weißen Meer ent­ stand also ein Kloster, und schon im sechzehnten Jahr­ hundert begann es sich tüchtig zu entwickeln, vor allem dank eines gewissen Feodor Kolytschew, mit Mönchs­ namen Filip. Dieser, ein Adeliger aus Nowgorod, war am Zarenhof Seite an Seite mit Iwan dem Schrecklichen aufgewachsen. Er war ein Mann der Tat und sorgte dafür, dass hoch im Norden eine blühende religiöse Festung entstand. Außer Kirchen wurden auf der Insel Kanäle, Wasserleitungen und Straßen, eine Ziegelfabrik und Salzsiedereien gebaut. Doch Filip erging es am Ende schlecht: Sein inzwischen verrückt gewordener einstiger Kindheitsgefährte Iwan der Schreckliche ließ den Metropoliten im Jahre 1570 erdrosseln.
    Solowezk dagegen wurde immer reicher, ein Zar nach dem anderen schenkte dem Kloster Lehen, ja, ganze Dörfer rings um das Weiße Meer. Das Kloster war schließlich fast ein Staat im Staate, mehr noch: Als Großgrundbesitzer beherrschte es das ganze nordwestli­ che Russland. Seine Macht erstreckte sich im Westen bis nach Karelien, im Norden bis auf die Halbinsel Kola, und im Süden konnte das Kloster sogar Moskaus Befeh­ len trotzen. Das Kloster fungierte als Bank, als indus­ trielles Zentrum, als militärische Festung.
    Aber immer, wenn alles gut läuft, wenn alles im Lot scheint, beginnt der Niedergang. Innerhalb des Klosters kam es zu Differenzen, Streitigkeiten und Machtkämp­ fen. Die Herrscherfamilie der Romanows beschloss, dem Kloster eine Lehre zu erteilen, denn es war allzu selbst­ ständig geworden, ja, es widersetzte sich sogar offen der Politik der Zaren und war nicht einmal bereit, den kirch­ lichen Treueid zu unterschreiben. Mitte des siebzehnten Jahrhunderts schlug sich Solowezk auf die Seite der Altgläubigen und führte die neuen, überarbeiteten geist­ lichen Bücher nicht ein, sie wurden einfach in Kisten gepackt und in die Ecke gestellt. So kam es zum Krieg gegen das eigensinnige Kloster: 1668 schickte der Zar eine kleine Armee aus, die das

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