Ein Bär im Betstuhl
Gäste erschrocken. »Es ist einfach Fakt. Die Schweißnähte reißen, da hilft
nur, schwimmen zu lernen«, murmelte er, während er mit dem Bären anstieß.
Darauf sagte Pastor Huuskonen, dass hoffentlich keine Gefahr bestehe, er habe seit der Abfahrt aus dem Schwarzen Meer ziemlich fleißig gebetet, und alles sei gut gegangen. »Vielen Dank auch dafür, aber Schiffe fahren nun mal nicht durch die Kraft des Glaubens. Die heutige Seefahrt verlangt Wasser und Eisen. Früher reichten Holz und Wasser.«
Am folgenden Tag, als sich die Oihonna bereits im At lantik befand, tauchten neben ihr zwei Delphine auf. Beelzebub stand auf dem Achterdeck und knurrte sie freundlich an, und die flinken Tiere begannen ausgelas
sen zu spielen. Sonja Sammalisto klärte Oskari darüber auf, dass die Delphine zu den höchstentwickelten Ver tretern des Tierreiches gehören, nach den Bären natür lich. Sie schliefen nie, nicht mal im Winter, und wer ihr
Fleisch aß, verlor seine Seele. Huuskonen meinte dar-auf, dass man auch seine Seele verlieren konnte, wenn man überhaupt nichts aß.
Dann ging es längs der Westküste Portugals nach Norden. Der Reeder-Kapitän wollte mit der Oihonna nach England, um sie dort zu verschrotten. Die letzten Kreuzfahrtpassagiere sollten in London von Bord gehen und von dort mit dem Flugzeug ihre Heimreise antreten.
Das Schiff hatte enormen Tiefgang, die in Odessa aufgetragenen Streifen für seine Ladekapazität konnten nur noch von den Fischen begutachtet werden. Unter dem Autodeck plätscherten dem Vernehmen nach an die tausend Kubikmeter Meerwasser. Der Chief wurde seitdem nicht mehr nüchtern gesehen. Die Pumpen dröhnten ununterbrochen, eigentliche Seenot bestand jedoch nicht.
Als das alte Kreuzfahrtschiff in den englischen Kanal kam, neigte es sich auf die Seite, nicht bedrohlich, aber immerhin um ein paar Grad. Kapitän O’Connor verließ die Kommandobrücke, eilte zu Pastor Huuskonen und wies ihn an, unverzüglich zusammen mit seinem Bären eine außerplanmäßige Andacht zu halten. Es war Nachmittag und die Zeit für die Siesta, aber an Ausru hen war nicht zu denken. Die Bar wurde geschlossen, und O’Connor sagte im Schiffsfunk an, dass jetzt der Moment gekommen sei, Freizeitkleidung anzuziehen. Man werde sogleich mit den Rettungsübungen beginnen, und wer sein Leben retten wolle, der solle die Anweisun gen der Mannschaft befolgen. Dann bedankte er sich im Namen der Reederei bei den Passagieren und der Mann schaft für ihr Vertrauen.
»Dies wird noch ein Riesenbegräbnis«, äußerte der Chief finster, er war inzwischen mit seinen Leuten aus dem Maschinenraum heraufgekommen. An ihrem Ar beitsplatz hatte nämlich das Wasser die Herrschaft übernommen.
Pastor Huuskonen und Beelzebub hielten im Salon ihre letzte Andacht. Der Bär war sehr ernst, wirkte geradezu unnatürlich fromm, und auch der Pastor legte für diesen Moment alle Zweifel und alle Skepsis ab. Er sang im Schiffsfunk »Ein feste Burg ist unser Gott« und sprach ein paar Psalterverse. Dann bekam das Schiff Schlagseite, und der Bordfunk verstummte. Huuskonen eilte mit Beelzebub aufs Oberdeck, wo die Rettungsakti on in vollem Gange war. Sonja half den verängstigten alten Leuten, ihre Schwimmwesten anzulegen. Es wurde langsam dunkel, die Kalksteinufer der britischen Inseln waren bereits in der Nähe, aber um sie schwimmend zu erreichen, doch allzu fern. Vor dem Bug waren schon die Lichter des Hafens von Southampton zu erkennen. Der finstere Chief warf die Frage auf, ob es Sinn machte, die Rettungsboote ins Wasser zu lassen.
»Bei einem Schiffbruch hilft nur, sich zu erschießen«, sagte Wassili und zündete sich eine Zigarette an.
Reeder-Kapitän O’Connor verfolgte von der Komman dobrücke die Katastrophe der Oihonna. Er blieb voll kommen gelassen, stützte sich mit einer Hand aufs Ruder und musterte die näher kommenden Lichter des Festlandes.
»Pastor Huuskonen! Sing ein frommes Lied, wenn ich bitten darf!«, brüllte er, und so pflügte der alte Kahn zu den Klängen des Liedes, das der finnische Pastor an stimmte, seine Furche durchs Wasser:
»Wenn des Meeres Stürme toben
und mich die Tiefe zu verschlingen droht, richt ich meinen Blick nach oben,
bet zu Gott in meiner Not…«
Beelzebub half den Frauen, die Abendkleider trugen, in die Rettungsboote, er war mit deutlichem Eifer bei der Sache, versuchte die zu Tode erschrockenen Passagiere zu beruhigen, indem er ihnen das Gesicht
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