Ein Ballnachtstraum
riss sie mitten in der Nacht aus dem Schlaf und erklärte ihr unverblümt, eine Ehe und ein achtbares Leben komme für sie nach ihrem Sündenfall ohnehin nicht mehr infrage.
„Hören Sie auf, Unsinn zu reden und sich mit Zweifeln zu quälen! Bereiten Sie sich lieber auf Ihre Trauung vor“, wies sie Thalia streng zurecht. „Es bleibt uns kaum genügend Zeit, die Feier und den Hochzeitsempfang vorzubereiten.“
„Nur noch eine Woche“, murmelte Thalia trübsinnig und kaute an ihrem Daumennagel.
„Was?“, flüsterte Eloise, die glaubte, sich verhört zu haben.
Thalia gähnte herzhaft. „Habe ich Ihnen das nicht gesagt? Thomas hat eine Sondergenehmigung eingeholt, damit wir hier in London im Haus seiner Mutter heiraten können. Ich halte das zwar für reichlich übertrieben, aber er befürchtet wohl, dass ich meine …“
Eloise sprang aus dem Bett. „Das ist unmöglich. Es gibt doch noch so viel zu tun.“
„Ach was, das schaffen Sie schon, Eloise. Sie sind tüchtig und praktisch veranlagt. Deshalb glaube ich ja auch, dass Sie die richtige Frau für Horace sind.“ Sie legte sich beruhigt ins Kissen zurück. „Wahrscheinlich haben Sie recht. Jede junge Braut hat Zweifel, bevor sie den wichtigsten Schritt ihres Lebens wagt und sich einem Mann hingibt. Aber Sie haben sich schließlich auch einem Mann hingegeben, ohne …“
Eloise hörte ihr nicht mehr zu. Tausend Gedanken schwirrten ihr im Kopf herum. Sie hatte gehofft, sich in den nächsten Tagen ein paar Stunden freinehmen zu können, um sie mit Drake zu verbringen. Er wollte ein passendes Haus für sie finden, ein Porträt von ihr bei einem berühmten Maler in der Bond Street anfertigen lassen, sie ins Theater ausführen und Spazierfahrten in den Park unternehmen. Er wäre nicht sonderlich erbaut darüber, wenn Eloise ihn ständig vertröstete. Da Thalia allerdings Anzeichen erkennen ließ, zu scheuen wie ein Pferd vor einem Hindernis, musste er Verständnis aufbringen.
Thalia kuschelte sich unter die Decke. „Seien Sie nicht böse, liebste Eloise. Wenn ich mich weigere, Thomas zu heiraten, kann ich immer noch in Ihre Fußstapfen treten. Und wenn ich alt bin, dienen Sie mir als Gesellschafterin. Andererseits, wenn ich es mir recht überlege, stören mich seine Küsse eigentlich nicht sonderlich. Ach, vielleicht ist eine Ehe mit ihm gar nicht so schrecklich, wie ich befürchte.“
Eloise betrachtete sie kühl und mitleidlos.
„Wenn Sie diesen Mann nicht heiraten, blüht Ihnen ein weit schlimmeres Schicksal, das garantiere ich Ihnen.“
Thalia wirkte nicht im Geringsten eingeschüchtert und zog die Decke bis zum Kinn hoch. „Horace hat recht, Eloise. Manchmal können Sie sehr despotisch sein. Darf ich heute Nacht in Ihrem Bett schlafen?“
„Nur wenn Sie mir versprechen, sich nicht wieder zu zieren und Ihre Meinung nicht noch einmal zu ändern.“
„Ach, ich habe Sie wirklich lieb, Eloise. Und ich wünschte, mein Bruder würde Sie verdienen.“
Eloise schlüpfte zu ihr unter die Decke. „Dann schlafen Sie endlich, und morgen schneiden wir als Erstes Ihre Fußnägel.“
Drake hatte sich nach der Soiree umgehend nach Hause begeben. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte er sich nicht getrieben, sich die Nacht mit irgendwelchen seichten Vergnügungen um die Ohren zu schlagen. Wäre es nach ihm gegangen, hätte er zwar gerne die Nacht mit Eloise verbracht, im Bett Champagner mit ihr getrunken und den Sonnenaufgang über der von ihr so geliebten Stadt betrachtet, aber diesmal übte er sich in Geduld.
Bald würde ihm dieser Wunsch erfüllt werden. Er hatte sich bereits nach einem passenden Haus für sie umgehört. Einige seiner Freunde hatten Wohnungen für ihre Mätressen in der Half Moon Street gemietet, eine ruhige Wohngegend in der Nähe des Parks und vornehmer Geschäfte. Allerdings war ihm die Adresse nicht nahe genug, und irgendwie behagte ihm der Gedanke nicht, sie in einem Haus unterzubringen, das nur für sinnliche Abenteuer gemietet war.
Gütiger Himmel. Sollte Maribella etwa recht behalten mit ihrer Mutmaßung, er habe sich vom Sünder in einen Moralapostel gewandelt? Immerhin konnte das, was er mit Eloise heute Abend in einem fremden Haus hinter verschlossenen Türen getrieben hatte, kaum moralisch genannt werden. Doch das hatte ihm nicht genügt. Er wäre gerne mit ihr am Morgen aufgewacht, wollte mit ihr reden und … nun ja, einfach mit ihr zusammen sein.
In seinem Arbeitszimmer hatten es sich zwei Herren bequem gemacht, die
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