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Ein Ballnachtstraum

Ein Ballnachtstraum

Titel: Ein Ballnachtstraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jillian Hunter
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Wie lange hatte er wohl versucht, sie zu wecken?
    „War Lord Thornton anwesend?“, fragte sie zögernd.
    Er schüttelte den Kopf. „Ich fürchte, nein.“
    „Also waren Sie gezwungen, sich an seiner Stelle mit Ihrem Cousin zu duellieren?“
    „Von einem Duell konnte kaum die Rede sein. Beim Sackhüpfen hätte ich ihn wohl eher besiegt.“
    „Wobei?“ Sie glaubte, ihn nicht richtig verstanden zu haben, fürchtete immer noch, er habe sie beim Schnarchen ertappt.
    Er schmunzelte. „Sackhüpfen. Das ist ein beliebter Sport, wenn die ganze Boscastle Familie sich im Sommer auf unserem Landgut trifft, um einander auf die Nerven zu gehen. Gabriel versucht immer, mich beim Sackhüpfen zu übertrumpfen, bisher allerdings vergeblich.“
    Eloise lächelte wehmütig. In ihrer Familie hatte es nie Zeit für unterhaltsame Spiele gegeben. Ihr Vater hatte immer zu tun, saß oft bis tief in die Nacht hinein über seinen Schriftsätzen im Kontor, und ihre Mutter verbrachte ihre Abende mit Näharbeiten im schwachen Schein einer Talgkerze, um das Familieneinkommen aufzubessern. Noch heute verspürte Eloise Gewissensbisse, wenn sie sich gelegentlich ein Stündchen freinahm, um ein Buch zu lesen. In Lord Drakes Stimme hatte ein liebevoller Unterton mitgeschwungen, als er von seiner Familie sprach, der ihn noch attraktiver machte, anziehender als der Schürzenjäger, der einer unbescholtenen Gouvernante heimlich Küsse geraubt hatte. Wenn ihm seine Familie so viel bedeutete, konnte er doch kein eiskalter Teufel sein, oder?
    Sie stand stumm vor ihm und wusste in ihrer Verlegenheit nicht, was sie sagen sollte. Er löste das Problem für sie, wenn auch in einer unerwartet peinlichen Art und Weise.
    „Sieh mal einer an“, murmelte er gedehnt, „was haben wir denn da?“
    Eloise blinzelte. Erst als er sich nach den auf dem Boden verstreuten Zeitungsausschnitten bückte, begriff sie. Das Skandalblatt. Die Karikatur des obszön übertrieben proportionierten Lord Heath Boscastle als Apollo. Sie hatte völlig vergessen, dass sie mit der Aktzeichnung seines Bruder auf dem Schoß eingeschlafen war.
    Sie konnte nur hoffen, dass er das Blatt nicht erkannte.
    Sie irrte sich. Er zog staunend eine Braue hoch, schürzte die Lippen und betrachtete die Zeichnung eingehend. Eloise konnte nicht entscheiden, was unangenehmer war: Dass er sie mit der Karikatur eines nackten Mannes auf dem Schoß erwischt hatte oder dass es sich bei dem nackten Mann um seinen Bruder handelte.
    „Du lieber Himmel!“, rief sie aus. „Wie oft habe ich Miss Thornton verboten, diesen Schund zu lesen und auch noch herumliegen zu lassen.“
    „Ich glaube, das Zeug lag auf Ihrem Schoß“, wandte er ein, und ein feines Lächeln umspielte seine Mundwinkel. „Ach, Miss Goodwin, wovon haben Sie wohl geträumt, als ich sie weckte?“
    Sie räusperte sich. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Er hielt sie wohl für eine jener Frauen, die sich nach außen sittsam gaben und sich heimlich an verruchten Bildern ergötzten.
    „Ich war nur neugierig“, entgegnete sie spitz und riss ihm die Zeichnung aus der Hand.
    Er musterte sie mit seinen dunklen Augen. „Neugierig auf meinen Bruder?“
    „Ich habe Miss Thorntons persönliche Dinge durchsucht“, antwortete sie schnippisch. „Aber nur in der Hoffnung, eine Nachricht von Percy zu finden mit einem Hinweis, wo die beiden sich treffen wollten.“ Nun, das war nicht die reine Wahrheit, nicht einmal annähernd die Wahrheit. Aber sie konnte doch nicht zugeben, dass sie daran interessiert gewesen war, ein paar Klatschgeschichten über Lord Drake zu lesen.
    Nach kurzem Schweigen ergriff er wieder das Wort. „Ich persönlich erachte es keineswegs als verwerflich, wenn eine Frau gern sinnliche Bilder ansieht.“
    „Ich habe mir das Bild nicht angesehen!“, entrüstete sie sich.
    „Kein Anlass, in Verlegenheit zu geraten und sich zu echauffieren. Außer vielleicht, weil er mein Bruder ist. Sie kennen ihn nicht, oder?“, fragte er höflich.
    „Nein, natürlich nicht.“ Sie zuckte zusammen, als er das Bild umdrehte und ihr die Vorderseite hinhielt. „Aber ich habe …“
    „Ziemlich viel von ihm gesehen“, beendete er den Satz für sie, und seine blauen Augen blitzten belustigt. „Seien Sie unbesorgt, ganz England kennt dieses Bild.“
    Eloise biss sich auf die Zunge. „Ich wollte sagen, dass ich seinen Namen häufig in den Zeitungen gelesen habe. Offenbar war er nicht allzu oft in Skandale verwickelt.“ Im Gegensatz zu Ihnen,

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