Ein Ballnachtstraum
hätte sie am liebsten hinzugefügt.
Er schmunzelte. „Das war skandalös genug.“
„Das kann ich mir denken. Höchst peinlich für einen Gentleman.“
„Peinlich ist nicht annähernd die treffende Bezeichnung für den Aufruhr, den diese Zeichnung auslöste.“ Er schüttelte in Gedanken daran den Kopf. „Das Ding sollte nie veröffentlicht werden, soweit ich weiß. Bis heute kann sich niemand erklären, wie die Zeichnung an die Presse gelangen konnte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass seine Ehefrau diese künstlerische Indiskretion je überwinden wird.“
„Seine Ehefrau?“, fragte Eloise verblüfft. „Seine eigene Frau hat dieses Machwerk angefertigt?“
Drake musterte sie eine Weile, bevor er antwortete. Wie sollte er die frivolen und unberechenbaren Launen seiner Verwandten erklären? Verhaltensweisen, die er oftmals selbst nicht nachvollziehen konnte. Aber schließlich war er nur ein Rädchen im Getriebe und gezwungen, sich mit dem kuriosen Gebaren seiner Familie abzufinden.
„Ich fürchte, ja. Die männlichen Boscastles fühlen sich seit jeher zu ungewöhnlichen Frauen hingezogen. Ja, richtig, auch die Frauen in unserer Familie haben Flausen im Kopf und setzen sich gern über gesellschaftliche Gepflogenheiten hinweg.“
„Und so etwas … wird geduldet?“, fragte sie verwundert.
Drake hatte Mühe, ihr aufmerksam zuzuhören. Sie sah noch hübscher aus als gestern Nacht. Ihre Wangen waren vom Schlaf rosig, was ihn natürlich auf den Gedanken brachte, wie angenehm es wäre, neben ihr aufzuwachen. Sogar ihr hoch geschlossenes grünes Baumwollkleid verleitete ihn zu dem Wunsch, sie auszuziehen. Er verdrängte sein ungehöriges Verlangen. „Ja“, sagte er, „Toleranz ist bei uns groß geschrieben. Was bleibt einem schon anderes übrig in einer Familie, in der Verstöße gegen Sitte und Anstand an der Tagesordnung sind.“ Mehr wollte er ihr über die Schandtaten seiner Familie allerdings nicht anvertrauen. Er räusperte sich. „Und Ihre Familie?“, wollte er im plumpen Versuch, sie vom Thema abzulenken, wissen.
„Meine Familie ist nicht sehr tolerant“, erklärte sie und wandte den Blick ab. „Ich scheue mich beinahe, Sie zu fragen. Konnten Sie herausfinden, wo Miss Thornton sich aufhält?“
Er hatte nicht die Absicht, ihr zu gestehen, dass Thalias Aufenthaltsort ihn nicht im Geringsten interessierte. Ihn interessierte vielmehr, woher Eloise kam, wo sie gelebt hatte, bevor sie als Gouvernante in diesem Haus arbeitete. Vielleicht hatte sie keine Familie mehr. War sie ein Waisenkind?
„Leider weiß ich nicht, wo Thalia ist“, antwortete er aufrichtig. „Aber vermutlich hat sie London nicht verlassen. Im Übrigen trifft Sie doch keine Schuld am leichtsinnigen Verhalten Ihrer Schutzbefohlenen.“
Eloise sah ihn an. „Ich kann doch nicht ständig Ausreden für ihr Verschwinden erfinden. Die Mutter ihres Verlobten wird Verdacht schöpfen, bei der Thalia und ihr Bruder heute zum Frühstück eingeladen sind.“
„Ich bin davon überzeugt, dass Thalia bald wieder auftaucht und die Sache in Vergessenheit gerät.“
Eloise schüttelte heftig den Kopf. „Die Gesellschaft im Allgemeinen geht keineswegs nachsichtig über den Fehltritt einer jungen Frau hinweg, wie es in Ihrer Familie üblich zu sein scheint.“
Er streifte die Handschuhe ab und legte sie auf den Stuhl. „Sprechen Sie aus eigener Erfahrung?“, erkundigte er sich beiläufig.
Sie zögerte. „Nicht, dass ich wüsste.“
Er spürte, dass sie einer Antwort auswich. „Sie erwähnten, dass sie bald heiraten wird. Haben Sie die Absicht, ihr auch weiterhin zu Diensten sein?“
„Ich habe noch keine konkreten Pläne.“
Er nickte, ohne zu wissen, wieso er ihr diese Frage gestellt hatte. „Ich könnte mir weniger ermüdende Beschäftigungen vorstellen, um sich Ihren Lebensunterhalt zu sichern.“
„Das hängt vermutlich davon ab, was man unter einer ermüdenden Beschäftigung versteht.“ Sie machte eine Pause. „Sind Sie schon lange mit Lord Thornton befreundet?“
„Horace war nie ein Freund von mir. Ich war mit seinem Bruder eng befreundet.“
„Warum helfen Sie ihm dann?“
Unvermutet strich er ihr mit dem Daumen über die Wange. „Warum denken Sie wohl?“, entgegnete er.
Sie erschrak über die Glut in seinen Augen und platzte mit dem ersten Gedanken heraus, der ihr durch den Sinn schoss. „Ich habe zuerst gefragt.“
Einen unerträglich langen Augenblick fürchtete sie, er würde sie auslachen. Doch dann
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