Ein Ballnachtstraum
Entsetzen gepackt. Die Furcht stand Thalia deutlich ins Gesicht geschrieben. Der niederträchtige Trunkenbold könnte ihr mit seiner bösen Zunge die Zukunft ruinieren. Und auch Eloise wäre ruiniert. Wenn sie Percy nicht augenblicklich Einhalt gebieten würde, wäre es nicht unwahrscheinlich, dass Thalia und sie als Bettlerinnen auf der Straße endeten.
„Drake“, entfuhr es Eloise. Er war der Richtige. Ihm würde etwas einfallen, um sie Situation zu retten. „Ich bin ihm noch vor wenigen Minuten begegnet. Ich muss ihn finden.“
Thalia begann zu weinen. „Wie können Sie nur so herzlos sein, jetzt nur an sich zu denken, Sie selbstsüchtige Person!“
Eloise konnte sich nicht länger beherrschen und rüttelte sie heftig an den Schultern. Thalia war so verdattert, dass sie augenblicklich verstummte. „Ich meinte doch nur, wir müssen Lord Drake suchen, damit er sich Percy vornimmt. Er wollte ihn beim ersten Mal schon zur Raison bringen, wenn ich mich recht entsinne. Hätte ich ihn bloß nicht davon abgehalten.“
„Wo ist er denn?“, fragte Thalia schuldbewusst.
„Er wollte gehen. Vielleicht ist er schon fort. Ich weiß es nicht. Ich muss mich rasch auf die Suche machen.“
„Nein“, rief Thalia. „Lassen Sie mich nicht mit Percy und seinen Freunden allein. Ich suche Boscastle.“
Eloise nickte widerstrebend. Thalia war jedenfalls nicht in der Verfassung, um wieder im Ballsaal zu erscheinen. „Einverstanden. Aber gehen Sie durch den Garten, damit niemand Sie sieht, und beeilen Sie sich! Ich versuche, Percy abzulenken. Wo ist der Schurke eigentlich?“
Thalia blickte über Eloises Schultern und stieß einen Schreckenslaut aus. „Er betritt gerade die Terrasse. Ich glaube, er hat mich entdeckt.“
„Dann laufen Sie los und bringen Lord Boscastle hierher.“
Thalia griff nach Eloises Hand. „Bitte gestatten Sie nicht, dass Percy mich ruiniert. Sonst löst Thomas die Verlobung und ich ende als alte Jungfer wie Sie, Eloise.“
„Nein, das werde ich zu verhindern wissen“, entgegnete Eloise zähneknirschend und versetzte ihr einen unsanften Stoß. „Niemand wird etwas davon erfahren, und wenn ich … wenn ich etwas Furchtbares tun muss.“
„Was meinen Sie damit?“, fragte Thalia beklommen.
Eloise gab ihr keine Antwort. Sie hatte sich bereits umgedreht, um sich dem Feind zu stellen. Eine unscheinbare Gouvernante verwandelte sich in einen todesmutigen Ritter. Allerdings hatte sie keine Ahnung, wie sie ihr Versprechen halten sollte. Es war zu bezweifeln, dass mit einem betrunkenen Taugenichts vernünftig zu reden war. Wie auch immer, sie musste sich irgendetwas einfallen lassen, damit er nicht Sir Thomas in die Arme lief.
Plötzlich stand Percy auf dem Kiesweg vor ihr. Sie wich bis zur Steinumfassung des Fischteichs zurück, während er sie unverfroren von Kopf bis Fuß maß. „Sieh mal an, wen haben wir denn da?“ Seine Stimme klang gedehnt und leicht lallend. „Wo ist denn Ihr Lämmchen? Als ich sie zum letzten Mal sah, lag sie in meinem Bett.“
Er näherte sich, und Eloise konnte nicht ausweichen. „Ich warne Sie“, zischte sie leise drohend. „Wenn Sie auch nur ein Wort darüber verlieren, werden Sie es bitter bereuen.“
Er grinste frech. „Wollen Sie mich für mein Schweigen bezahlen, oder haben Sie mir etwas anderes zu bieten?“
„Sie sind widerlich und geschmacklos.“
Er musterte sie noch einmal eingehend. „Das ist das abscheulichste Kleid, das ich je gesehen habe. Ob das, was sich darunter befindet, auch so hässlich ist?“
Er bückte sich, um den Saum ihres Rockes zu heben. Eloise riss der Geduldsfaden. „Sie sind ein elender Schmutzfink“, stieß sie hervor, als er seine Hand unter ihren Rock schob. „Und einem Schmutzfink tut ein reinigendes Bad gut.“
Da er ohnehin unsicher auf den Beinen war, kostete es sie keine große Mühe, ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Später würde sie ihr Handeln bereuen, aber diese günstige Gelegenheit, Rache zu üben, war einfach zu verlockend, um ihr zu widerstehen. Sie versetzte ihm einen derben Stoß, worauf er kopfüber in den Fischteich stürzte.
Sie beobachtete in kaltem Entsetzen, wie er untertauchte.
Was hatte sie getan? Damit hatte sie sich jede Chance verdorben, je wieder eine Stellung in London zu finden. Zumindest als Gouvernante. Vielleicht konnte sie in einer zwielichtigen Spelunke als Schankmädchen arbeiten.
Sein Kopf tauchte auf, das blonde Haar hing ihm strähnig in die Stirn. Eloise zuckte unter
Weitere Kostenlose Bücher