Ein Band aus Wasser
» Ist das so eine Art Größenwahn?«
Daedalus lachte erstaunt auf. » Ist das wichtig?«
Ich überlegte lange. » Nein, nicht für mich. Es sei denn, du würdest mich oder jemanden, den ich liebe, verletzen oder kontrollieren wollen.« Thais war der Ansicht, dass er das schon getan hatte, dass er unseren Vater getötet hatte. Sie war sich sicher, ich nicht. Visionen konnten einen in die Irre führen, wenn jemand sie nur richtig manipulierte. Doch wenn er künftig so etwas machen würde …
» Was würde dann passieren?« Er schien amüsiert, nachsichtig.
Ich blickte in seine blauen Augen, die jetzt blasser wirkten. » Dann würden wir Feinde werden.« Ich erwartete, dass er in Lachen ausbrechen, meine Bemerkung mit einer abfälligen Handbewegung wegwischen würde.
Stattdessen sah er mich an und strich sich über seinen kurzen grauen Bart. » Ich verstehe.«
Wir warteten und sahen einander an, als ob einer den anderen herausgefordert hätte.
» Ich soll also selbst einen völlig neuen Zauber schreiben«, sagte er. » Das ist interessant. Ich hätte die ganze Treize dafür. Und ich habe dich, meine Liebe. Deine Hilfe, deine Kraft.«
War das ein Test? Wozu ich mich verpflichten würde? » Ja, das hättest du.«
Kapitel 22
Thais
Ich sah Kevin an, der mir gegenüber an einem kleinen Tisch im Botanika saß, und dachte wieder einmal darüber nach, wie sehr ich ihn mochte, wie glücklich ich mit ihm war. Bei ihm zu sein, fühlte sich sauber und leicht an, und genau danach sehnte ich mich nach meinem Besuch bei Carmela. Was sie mit der Orchidee angestellt hatte, haftete noch immer wie ein Makel an mir, und die Gewissheit dessen, was noch vor mir lag, lastete schwer auf meinen Schultern.
» Ich bin froh, dass es dir besser geht«, sagte ich.
» Ich auch. Sie wissen immer noch nicht, was genau mit mir los war, aber in jedem Fall soll ich es langsam angehen lassen. Kein Football oder Leichtathletik oder irgend so was. Und keine Schule diese Woche! Das ist super!«
» Ich weiß«, erwiderte ich lächelnd. » Und dein Auto kommt auch wieder in Ordnung?«
Kevin verzog das Gesicht. » Die vordere Hälfte muss ausgetauscht werden. Aber das deckt die Versicherung ab.«
» Ja … Es war ja nicht deine Schuld.«
Es war meine.
Aber ich hatte ein paar Begrenzungen erlernt, hatte gelernt, wie man die Magie fokussierte, damit nichts sonst in Mitleidenschaft gezogen wurde …
Mein Latte Macchiato war zu heiß. Nervös schlang ich meine Finger um das hohe Glas und zog im Geist einen Schutzschild darum. Dann kühlte ich sie, zog die Wärme in meine Finger. Vorsichtig warf ich Kevin einen Blick zu. Er schien okay zu sein. Juhu!
Wenn ich nur genug Begrenzungszauber erlernen würde, wenn ich richtig viel lernen oder nie in seiner Anwesenheit Magie anwenden würde, dann …
Lächelnd legte mir Kevin einen Arm um die Schultern und küsste mich. » Ich habe dich vermisst.«
» Ich habe dich auch vermisst. Ich war so besorgt um dich.«
» Ja, das war wirklich komisch, aber jetzt geht’s mir gut. Hör zu – Halloween steht vor der Tür. Und der Halloween-Ball in der Schule. Und dann ist da das Haus bei der Feuerwache auf der St. Charles bei Nashville, in dem es spukt. Würdest du gerne zu irgendwas davon hingehen?«
» Oh ja«, sagte ich mit Nachdruck. Wie herrlich, eine ganz normale Jugendliche zu sein, die gemeinsam mit ihrem Freund » gruselige« Dinge unternahm, die nichts mit richtiger und manchmal fürchterlich erschreckender Magie zu tun hatten. » Aber ich muss das mit meiner Großmutter klären.« In der Bonne Magie war Halloween der wichtigste Hexensabbat des Jahres. Bestimmt war ein großer Zirkel oder ein Fest geplant, und ich hatte keine Ahnung, ob ich es zum Schulball schaffen würde. Oder ob ich bis dahin immer noch mit Kevin zusammen war.
» Wunderbar. Wir brauchen Kostüme. Aber nicht so was Blödes wie Salz und Pfeffer oder so. Ich könnte mich stattdessen als Hotdog verkleiden.«
» Als Hotdog? Und dann?«
Er grinste. » Du gehst als ›Brötchen‹ und ich als ›Hotdog‹. Dann musst du mir den ganzen Abend richtig schön auf die Pelle rücken.«
Ich lachte – er sah so zufrieden mit sich aus. » Sehr witzig.«
Das war mein ständiges Dilemma: Ich hätte wählen können, wenn ich nur wollte. Ich könnte der Magie den Rücken kehren und einfach nur wieder ein Mädchen sein, mit einem lieben, normalen Freund mit einer normalen Lebenserwartung. Mein Leben würde viel einfacher werden und meine
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