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Ein Band aus Wasser

Ein Band aus Wasser

Titel: Ein Band aus Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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Melita hat es in jener Nacht auch nicht erklärt. Ich habe immer gedacht, dass es sich dabei um einen realen Gegenstand handelt, etwas, das sie vielleicht gefunden oder erschaffen und mit tiefer, starker Magie gefüllt hat. Ich erinnere mich, dass sie damals eine Kette trug – eine Schnur mit aufgefädelten Mondsteinen. Du weißt doch, wie Mondsteine aussehen, nicht wahr?«
    Ich nickte.
    » Aber Petra dachte, dass es etwas anderes sein müsste«, fuhr Daedalus fort. » Vielleicht Tränen oder Blut. Es war dumm, zu versuchen, den Ritus neu zu erschaffen, ohne genau zu wissen, was dahintersteckt – und ohne Melita, wenn wir schon dabei sind.«
    Er wirkte resigniert, traurig.
    » Du hast lange und hart daran gearbeitet, den Ritus zu erschaffen«, sagte ich.
    » Ja. Und wer weiß, ob ich jemals eine zweite Chance bekommen werde.« Er warf mir einen Blick zu. » Mit deiner Hilfe vielleicht.«
    In diesem Moment hatte ich eine Idee, und ich sandte sie in die Welt aus, ohne weiter darüber nachzudenken. Wie oft hatte ich das in meinem Leben schon getan – eine Idee, eine Tat, einen Gedanken wie einen Schmetterling in die Welt geschickt? Und hatte auch ich eine Wirkung auf die Welt gehabt, so wie der Flügelschlag eines Schmetterlings das Klima veränderte? Und wenn ja, welche?
    » Vielleicht«, sagte ich langsam. » Oder vielleicht bist du das alles bisher falsch angegangen.«
    Daedalus’ Augen blitzten. Er sah gekränkt aus – so wie nur altmodische, echte Gentlemen gekränkt aussehen können. » Pardon?«, fragte er kalt auf Französisch.
    » Ich meine, du hat versucht, Melitas Ritus neu zu erschaffen, weil es das Erstaunlichste und Stärkste war, was du dir vorstellen konntest. Aber glaubst du nicht, dass ihr – du, Jules, Petra und Ouida – jetzt, 250 Jahre später, einen ganz neuen Zauber schreiben könntet? Natürlich wäre es nicht genau dasselbe und hätte vielleicht nicht denselben Effekt. Aber ich bin sicher, ihr könntet etwas Wunderbares schaffen. Es ganz neu anpacken.« Ich schritt den verkohlten Kreis ab, wo nie wieder etwas wachsen würde. » Wenn Melita den Ritus auf eine bestimmte Art angegangen ist, muss das doch nicht die einzig mögliche gewesen sein, oder? Das ist ungefähr so wie bei einem Zauber, der Gemüse wachsen lässt.« Ich nannte ein Beispiel, das ich kannte und bei dem ich Nan eine Million Mal geholfen hatte. » Du kannst auf viele verschiedene Weisen dasselbe Ziel erreichen. Du kannst die Lebenskraft deiner Tomatenpflanze stärken. Oder einen Zauber anwenden, damit sie mehr Bienen anzieht und die Bienen dann mehr Blüten bestäuben. Oder einen Zauber, um Ungeziefer fernzuhalten. Das Ergebnis ist dasselbe, aber es gibt eben viele Wege, die dorthin führen.«
    Daedalus sah mich schweigend an, und ich versuchte, nicht wie ein Idiot zu klingen. » Du kennst Melitas Ritus und alles, was sie dafür benutzt hat. Aber vielleicht fehlt immer noch etwas, von dem du nichts weißt und weshalb der Ritus nicht funktioniert hat oder nicht so gewirkt hat, wie du es dir erwartet hast. Aber was wäre, wenn du und vielleicht ein paar andere, wenn ihr also eure Kräfte bündeln und einen neuen Ritus entwerfen würdet, für den ihr euer gesamtes Wissen nutzt, das inbegriffen, was du dir in den letzten zwei Jahrhunderten erarbeitet hast?«
    Inmitten der Bäume gab es nur uns beide. Es war erst Nachmittag, aber das Herbstlicht warf schon tiefe, schräge Schatten. Alles hier fühlte sich ruhig an, still, als ob Vögel und Tiere einen weiten Bogen um diesen Ort machten.
    » Das habe ich versucht«, erwiderte Daedalus schließlich nachdenklich.
    » Wann? Mit wem? Mit der ganzen Treize?«
    » Nein. Es muss in den Dreißigern gewesen sein. Und mit knapp der Hälfte von uns.«
    » Also, was soll der Ritus deiner Ansicht nach bewirken?« beharrte ich. » Melita wollte Macht und Unsterblichkeit. Aber du bist schon mächtig und unsterblich. Du hast viel Geld. Du kannst praktisch alles machen, was du willst. Was soll dir der Ritus noch bringen?«
    Komisch, dass ich nie zuvor auf die Idee gekommen war, ihm diese Frage zu stellen.
    » Mehr Macht.«
    Ich starrte ihn an. » Du bist doch schon unglaublich stark. Was würdest du mit noch mehr Kraft anfangen?«
    » Ich würde sie einfach – haben. Ich wäre in der Lage, wunderschöne, unglaubliche, kraftvolle Magie zu vollbringen. Ich könnte alles erreichen, was ich mir wünschte. Ich wäre unabhängig von allem und jedem.«
    Ich brauchte einen Moment, um das zu verdauen.

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