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Ein Band aus Wasser

Ein Band aus Wasser

Titel: Ein Band aus Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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zwanzig, aber ganz, ganz anders.
    Er war umwerfend. Ich war so verblüfft, dass ich ihn einfach nur anstarrte, während ich insgeheim dachte: Verdammt, ist der heiß! Ich schüttelte den Kopf, um meine Gedanken unter Kontrolle zu bekommen, und erinnerte mich daran, ihn wieder stirnrunzelnd anzusehen.
    » Ja, ich weiß«, sagte er. » Ich sehe älter aus. Und jetzt sag mir, was zur Hölle du mit Daedalus zu schaffen hast! Und warum ich das Gefühl habe, dass es etwas unglaublich Dummes, Gefährliches ist?«
    » Du wirkst tatsächlich älter«, erwiderte ich schneidend. » Ich kann’s nicht erwarten zu sehen, wie du mit 266 Jahren aussiehst. Und wieso glaubst du, ich hätte irgendwas mit Daedalus zu schaffen?«
    » Wenn das so weitergeht, bin ich bald 267«, korrigierte er mich. » Und wahrscheinlich glaube ich das, weil ich dich vor sechs Stunden in sein Apartment habe gehen sehen und du gerade wieder rausgekommen bist. Und so aussiehst.« Er deutete mit dem Finger auf mich.
    Völlig irrational dachte ich plötzlich darüber nach, wie ich für gewöhnlich aussah, wenn ich von Daedalus wegging – blass und krank –, und wünschte, ich würde ein besseres Bild abgeben. Ich hasste den Gedanken, dass Richard mich so verwundbar sah, so ganz und gar nicht in Form. Dann begannen seine Worte zu wirken.
    » Stalkst du mich jetzt, oder was?« Ich legte alle Empörung, derer ich fähig war, in meine Stimme.
    » Ja.« Richard kletterte auf den Sitz neben mich und ließ sich hineinfallen. Er war mindestens acht Zentimeter größer als vorher und auch einige Kilo schwerer – es war schwer zu sagen.
    Meine Wangen wurden heiß. Ich wollte ihn aus dem Wagen schmeißen und nach Hause brausen, doch ich fürchtete, mich ihm an den Hals zu werfen, wenn ich etwas zu Ungestümes tat.
    Mit wütenden Gesichtern und schmalen Augen sahen wir einander an.
    » Was willst du?«, fragte ich schließlich ungeduldig.
    Er betrachtete mich so aufmerksam, dass ich ein paar Zentimeter zurückwich. Sein wunderschöner, harter Mund lächelte. Ich hielt den Atem an. Langsam taxierte er mich von oben bis unten, so wie er es zuvor schon getan hatte. Während sein Blick auf mir verweilte, verschränkte ich die Arme vor der Brust.
    » Hör auf und verschwinde aus meinem Auto«, sagte ich, wobei ich versuchte, möglichst gelangweilt zu klingen.
    Er lehnte sich gegen die Tür, ruhiger, nicht mehr so wütend. Ich hatte keine Ahnung, weshalb es mir nicht gelang, ihn unter Kontrolle zu bekommen. Ich hatte es immer geschafft, Jungs zu kontrollieren. Nicht, indem ich sie grob behandelte, sondern einfach kraft meiner Persönlichkeit. Niemand hatte mir je so die Stirn geboten, wie Richard es jedes Mal tat. Es war zum Aus-der-Haut-Fahren.
    » Okay, wenn du nicht aussteigst, dann mache ich das eben.« Ich stieß die Autotür auf, stieg aus und begriff natürlich sofort, dass ich nirgends hingehen konnte. Richard folgte mir. Von Angesicht zu Angesicht stand er mir auf dem Bürgersteig gegenüber.
    » Was hast du mit Daedalus zu schaffen?«, fragte er erneut.
    » Nichts.«
    Er änderte seine Taktik. » Und warum hast du meinem alten Kumpel Luc erzählt, wir hätten Sex gehabt?«
    Oh mein Gott – bislang hatte ich es geschafft, dieses Detail zu verdrängen, doch jetzt stürzte wieder auf mich ein, was ich beim Verlassen des Apartments stinksauer geschrien hatte. Scheiße. Vor Verlegenheit wurde ich rot – na ja, wenigstens war ich jetzt nicht mehr bleich und käsig.
    » Damit er die Klappe hält. Und jetzt bist du an der Reihe. Hau ab.« Ich hielt nach einem Fluchtweg Ausschau – eine kleine Holztür, die in die Backsteinmauer eingelassen war, neben der ich geparkt hatte. Ein Privatgrundstück. Ich stürzte darauf zu, stieß die Tür heftig auf und versuchte, sie gleich wieder hinter mir zuzuschlagen.
    Mühelos fing Richard die Tür ab. » So leicht lasse ich mich nicht abschütteln«, sagte er, drängte mir nach und schloss die Tür hinter sich.
    Ich sah mich nach einem anderen Ausweg um und bemühte mich, nicht zu zeigen, wie wütend und entsetzt ich war. Das hier war ich, Clio, und ich floh tatsächlich vor jemandem. So etwas war mir noch nie passiert. Ich war ein anderer, schwächerer Mensch als vorher und das erschreckte mich zutiefst.
    Eine marmorne Bank glänzte schwach in der Dämmerung. Bevor ich umfallen konnte, sank ich darauf nieder.
    » Bitte geh weg.« Ich rieb mir die Augen und ließ die Hände auf meinem Gesicht.
    Langsam zog er meine Hände weg und

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