Ein Band aus Wasser
Wirklich?« Luc versuchte, unbekümmert zu wirken, doch Petra sah die Hoffnung in seinen Augen. Sie wusste, dass er sich sehr zusammenreißen musste, um nicht sofort aufzuspringen und in den Spiegel zu schauen.
Sie war furchtbar müde und ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Als hätte Ouida ihre Gedanken gelesen, stand sie auf und brachte ihr eine Tasse heißen Schwarztee.
» Danke«, sagte Petra, nahm einen Schluck und spürte die Wärme in sich hinabfließen. Sie warf einen Blick aus dem Fenster. Draußen war es dunkel. Sie hatten um vier Uhr angefangen. » Wie spät ist es?« Als Antwort auf ihre Frage sah sie auf die Küchenuhr. Fast acht. » Wo sind die Mädchen?«
Wie aufs Stichwort spürte Petra Thais auf der vorderen Veranda und hörte dann, wie sie die Tür aufschloss.
» Thais?«
Ihr gegenüber versteifte sich Luc. Ouida begann, die Zauberutensilien wegzuräumen.
» Hi, Nan«, rief Thais, die selbst ziemlich müde klang. Sie kam in die Küche. » Tut mir leid, dass ich zu spät bin. Hast du meine Nachricht gekriegt?«
Petra sah auf den blinkenden Anrufbeantworter. » Nein, tut mir leid. Ich habe den Klingelton abgestellt. Ist alles in Ordnung?« Das war mehr als nur eine beiläufige Frage.
» Ja. Hallo, Ouida.« Thais ignorierte Luc, griff in ihre Jacke und holte ein kleines schwarzes Kätzchen hervor, das im Küchenlicht blinzelte. » Ich habe es im Rinnstein vor Kevins Haus gefunden«, sagte sie. » Es schien niemandem zu gehören.«
» Das arme Ding«, erwiderte Ouida. Sie hielt das Kätzchen hoch und blickte ihm ins Gesicht.
» Miau!«
Thais lehnte sich in den Rahmen der Küchentür und sah so richtig geschafft aus. » Ich gehe mich duschen«, sagte sie.
» Okay«, antwortete Petra. » Komm runter, wenn du Hunger hast.«
» Ja, gut, danke.« Thais wandte sich zum Gehen.
Auch wenn Luc sich bemühte, sie nicht bei jeder Bewegung zu beobachten, machte ihm ihre Anwesenheit deutlich zu schaffen. Rasch stand er auf und griff nach seiner Jacke. » Ich gehe mal lieber«, murmelte er. » Danke, Petra. Danke, Ouida. Ich weiß das wirklich zu schätzen.« Er deutete auf sein Gesicht. Es war noch nicht so perfekt wie zuvor, doch er sah definitiv normal aus. Zumindest würden die Leute nicht mehr stehen bleiben und mit dem Finger auf ihn zeigen.
Petra beobachtete, wie er hinter Thais hereilte, hörte, wie er ihr etwas zuraunte. Sie antwortete etwas, das Petra nicht verstehen konnte. Sie und Ouida wechselten einen Blick. Dann lief Thais nach oben und Luc zur Tür.
Er liebt sie immer noch, sinnierte Petra. Luc, den sie schon so lange kannte, liebte Thais. Er war immer ein Schwerenöter gewesen, charmant, skrupellos, ohne Gewissen. Sie hatte gedacht, er hätte es inzwischen aufgegeben, eine der Zwillinge verführen zu wollen, doch er schien Thais aufrichtig zu lieben, das spürte Petra, und es bereitete ihr Sorgen. Sie musste darüber nachdenken. Sie hatte überhaupt viel nachzudenken.
Nachdem Luc gegangen war, setzten sich die beiden Frauen an den Küchentisch und schauten zu, wie Q-Tip das neue Kätzchen beäugte. Nachdem er es vorsichtig beschnüffelt hatte, legte er ihm eine große weiße Pfote auf den Rücken – nagelte es buchstäblich fest –, um es ungefragt und sehr energisch zu putzen.
» Thais hat erschöpft ausgesehen«, sagte Ouida. » Irgendwie nicht ganz wie sie selbst.«
» Ja. Sie und Clio laufen schon die ganze letzte Woche so rum.«
» Was treiben sie denn nur?«
Petra war dankbar, dass es Ouida gab, eine Freundin, die immer Klartext sprach. » Ich weiß es nicht. Sie sagen es mir nicht. Oder sie lügen.«
» Was wirst du unternehmen?«
» Ich warte ab.«
Ouida nickte nachdenklich. » Sprechen wir von Jungs, Drogen, Sex oder etwas Schlimmerem, was meinst du?«
» Von etwas Schlimmerem.« Petra hatte wieder und wieder darüber nachgedacht. Und sie hatte Zeit gehabt, sich damit abzufinden, dass die Zwillinge möglicherweise in etwas Großes, Magisches und vielleicht sogar Dunkles verwickelt waren. Und jetzt war Melita wieder da. Sie hatte die Zwillinge nicht erwähnt, aber Petra nahm an, dass sie über sie Bescheid wusste.
Thais und Clio wussten nichts davon, doch Petra hatte den Eingang mit Sigillen versehen, damit sie immer wusste, wer wann kam und ging. Als Nächstes würde sie ein Voodoo-Amulett anfertigen und es den Mädchen in die Jacken oder Taschen einnähen. Das würde ihr helfen zu erfahren, wo sie gewesen waren.
» Hast du es schon mit Spähen probiert?«,
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