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Ein Band aus Wasser

Ein Band aus Wasser

Titel: Ein Band aus Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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skrupelloser. » Er hat Schuld auf sich geladen, und er verdient, was er bekommt. Jeder Mensch hat Schuld auf sich geladen. Tiere nicht.«
    Alles, was ich sehen konnte, waren ihre schwarzen Augen, die mich eingehend musterten.
    » Du glaubst, dass sich jeder Mensch irgendeiner Sache schuldig gemacht hat?«
    Ich dachte einen Moment nach. » Kinder unter vier Jahren vielleicht nicht«, gab ich zu. » Aber sogar sie sind in der Lage, böse zu sein, etwas Falsches zu tun. Tiere nicht. Wie gesagt: Der Regenwurm war schon schlimm genug. Die Katze steht nicht zur Diskussion.«
    » Und du glaubst, du wirst deine Empfindlichkeit ablegen und jemand anderem seine Macht stehlen können, und das nur wegen all der Schuld, die dieser Jemand deiner Ansicht nach auf sich geladen hat?«
    » Ja.« Daran hatte ich keinen Zweifel. Es war schwer, ja geradezu vernichtend, das an mir selbst zu erkennen – dass ich tatsächlich willens war, diesen abscheulichen, schrecklichen Akt an einem anderen Menschen zu begehen. Aus Rache. Doch so langsam fand ich mich damit ab. Auf eine verbissene Art und Weise.
    Ich stand auf und durchbrach unseren Zirkel. Es war mir egal, ob unser Unterricht für heute beendet war. Ich zog meine Jeansjacke über, griff nach der Katze und schob sie sanft darunter. Noch immer spürte ich das hohle Gefühl von Übelkeit, das mich dieser Tage pausenlos zu begleiten schien, doch ich schaffte es, ohne Schwanken aufzustehen. Ich wandte mich zu Carmela um. In den tiefen Schatten des Zimmers, wo sie saß, konnte ich sie kaum erkennen.
    » Ich komme wieder«, sagte ich. » Morgen.«

Kapitel 26
    Clio
    Ich stieg die alten, gewundenen Stufen hinab, die von Daedalus’ Apartment in den darunterliegenden Innenhof führten, und klammerte mich am Geländer fest, um auf meinen zittrigen Beinen nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Mir ging es beschissen. Mal wieder. Obwohl es langsam nachließ, wie Daedalus versprochen hatte.
    Ich hatte das Auto drei Blocks weiter auf einer anderen Straße geparkt und mich selbst für meine gewiefte Geheimhaltung beglückwünscht. Jetzt, da ich begriff, dass ich noch drei Blocks weit laufen musste (auch wenn es nur kurze Wohnblocks waren), verfluchte ich mich. Es war gerade mal fünf Uhr, doch die Wolken, die den Himmel verdunkelten, ließen es später erscheinen. Als ich an einem kleinen Eckladen vorbeikam, kaufte ich mir eine Orangenlimonade und nahm einen kräftigen Schluck. Durch die geballte Ladung Zucker war ich gleich weniger zittrig. Bis ich bei meinem Auto angelangt war, war die Flasche leer, und ich fühlte mich wieder einigermaßen menschlich.
    Eine hohe Trauerweide neigte sich über eine Backsteinmauer und spendete Schatten in dem Bereich, wo ich mein Auto geparkt hatte. Ich sperrte die Tür auf und ließ mich auf den Vordersitz fallen, dankbar, endlich zu sitzen. Gute Göttin, bevor ich nach Hause fuhr, musste ich mich am Riemen reißen. Das hier war kein Schwips, den ich durch einen kleinen Blutreinigungszauber in den Griff bekam. Durch das hier musste ich durch. Ich musste nach Hause und unter eine heiße Dusche. Der Gedanke an zu Hause war überaus verlockend. Auch wenn Nan noch immer schwach war und manchmal besorgt wirkte, hatte zumindest Thais seit unserem Pakt aufgehört, mich zu schneiden. Ich fühlte mich immer noch schuldig, weil ich bei Daedalus Unterricht nahm, obwohl ich wusste, wie sehr sie dagegen war, aber es wurde immer leichter, deswegen kein schlechtes Gewissen zu haben.
    » Was zur Hölle treibst du mit Daedalus?«
    Die angespannte, ruhige Stimme vom Rücksitz ließ mich ungefähr einen halben Meter in die Luft springen und ein ersticktes Kreischen ausstoßen. Noch bevor ich wieder auf dem Sitz aufkam, hatte mein Gehirn registriert, dass es sich um Richard handelte, dass er irgendwie in mein abgeschlossenes Auto gekommen war und auf mich gewartet hatte.
    » Was zur Hölle machst du in meinem Auto?«, gab ich, die Hand an der Brust, zurück, wie um meinen elektrifizierten Herzschlag zu beruhigen. Dann sah ich ihn richtig an und hätte beinahe nach Luft geschnappt.
    Er war tatsächlich älter, so wie Thais es von Manon berichtet hatte. Richard war älter. Ich meine, natürlich war er eigentlich uralt. Aber er hatte immer wie ein Junge gewirkt, wie ungefähr fünfzehn. Jetzt war er größer, seine weiten Klamotten schienen ihm fast zu klein geworden. Sein Gesicht, vor kurzem noch glatt und fast niedlich, hatte markantere Züge. Er sah immer noch jung aus, wie unter

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