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Ein Berliner Junge

Ein Berliner Junge

Titel: Ein Berliner Junge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adolf Damaschke
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wohl jedes Kind der Mietkaserne - keine Stätte, wo ich von Rechts wegen sein durfte. In der engen Wohnung war für ein gesundes Kind mit seinem Bewegungs- und Betätigungstrieb natürlich kein Raum. Auf dem Hofe fand sich der übliche Anschlag: »Der Aufenthalt auf dem Hofe und das Spielen sind verboten!« Auf die Straße zu gehen, hatte Mutter untersagt wegen der Gefahren in dieser lebhaften Verkehrsgegend. Ja, wo sollte man denn sein? Überall, wo man war, verstieß man gegen Vorschriften, und es unterliegt keinem Zweifel, daß die Autoritätlosigkeit unserer Großstadtjugend zum guten Teile auf diese Verhältnisse zurückzuführen ist, die sie geradezu nötigt, sich jede Lebensmöglichkeit im Kampfe gegen irgendeine Autorität zu erzwingen.
     
     
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Die beiden Freunde
     
    Meine nächsten Spielgefährten wurden die beiden Altersgenossen des Hauses: der einzige Sohn des Inhabers des Gartenlokals, Fritz Keller, und ein Sohn des Vorderhauses, Fritz Veit. Veits waren neben Dessins die Vornehmsten im Hause. Der Vater, ein feiner, alter Mann, hatte mich liebgewonnen, und wenn wir mit ihm Ausflüge machten, betonte er stets die Gleichheit in unseren Anrechten. Ich habe das dankbar empfunden, namentlich wenn wir drei gingen, Maikäfer zu suchen. Das war nicht ganz leicht, da ganz früh aufgebrochen werden mußte, um in der Kastanien- oder Pappelallee die vielbegehrten Käfer an den Wurzeln der großen Bäume auszugraben. Kamen wir zu spät zu erfolgreicher Jagd, so kamen wir doch nie mit leeren Händen zurück, da der alte Herr Veit nach Sonntagsjägerart das, was wir nicht selbst gewannen, von glücklicheren Jägern erwarb. Diese Maikäfer fanden vielfache Verwendung: zunächst für sehr geschätzten Spiritus zum Einreiben, dann aber auch als Gegenstand schwungvollen Handels. Hier lernten wir zuerst die Grundsätze aller Volkswirtschaft kennen. War das Angebot groß, so mußten drei für eine Nadel gegeben werden - »Käfermai, Käfermai, für eine Nadel gibt es drei!« - war es klein, so konnte man wohl einen Pfennig für einen Käfer erhoffen. Die Käfer selbst wurden wieder nach ihrer Seltenheit gewertet. Kenner schieden sie nach der Farbe ihres Schildes. Am gesuchtesten waren die mit Purpurschildern, die »Kaiser und Könige«, dann kamen die mit den weißen (»Müller«) und die mit den schwarzen Schildern (»Schornsteinfeger«) und endlich das gewöhnliche Volk. -
    In die Schule ging ich mit keinem von meinen beiden Freunden, da sie natürlich die höhere Schule besuchten und ich die Volksschule. Ich entsinne mich auch nicht, daß wir von Schule, Schularbeiten oder Schulabenteuern miteinander sprachen. Wenn wir nicht besondere Spiele oder Streiche vorhatten, mußte ich ihnen Geschichten erzählen. Wir saßen dann am liebsten zusammengekauert in einer Ecke des Vorraumes zum Eingang des Kellerschen Lokals, und dann baten sie: »Erzähle!« Es war ganz gleich was - Märchen, Geschichten aus der Geschichte. Natürlich war dabei das Gruseln ein Hauptvergnügen.
    Als wir drei Freunde älter wurden, unternahmen wir auch manchen Streifzug in die benachbarten Straßen. Wo heute die Stadtbahn um den Bahnhof Börse donnert, floß oder stand vielmehr ein trüber Kanal, der »Zwirnsgraben«, über den die Herkulesbrücke führte, deren Standbilder jetzt auf der Lützowbrücke stehen. Vor der alten, steinernen, geheimnisvollen Sphinx und dem fürchterlichen Löwen, der mit dem Herkules kämpft, haben wir oft staunend gestanden.
    Völlig unverständlich war es uns, wenn wir von Erwachsenen nach der nahen Sophienstraße gefragt wurden, was ziemlich häufig vorkam, weil in dieser schmalen Straße der Handwerkerverein seine regelmäßigen Versammlungen hielt. Daß große Menschen nicht wußten, wo die Sophienstraße war, schien uns zu sonderbar. Kopfschüttelnd sahen wir derartig bedauernswerten, von uns mitleidig zurechtgewiesenen Menschen nach.
     
     
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Spiele
     
    Eins unserer liebsten Spiele war das Reifenspiel, und es war Ziel löblichen Ehrgeizes, einmal seinen Reifen von unserem Hause bis zur nächsten Querstraße, der Sophienstraße, hin und zurück zu treiben, ohne daß er von einem der vielen Fußgänger umgestoßen wurde. Am schönsten konnte man diesen Sport in den Hallen der Nationalgalerie treiben. Unverständig erschienen uns nur die Erbauer, die offenbar den Standpunkt des Reifenspieles in seiner Bedeutung noch nicht genügend erfaßt hatten, da sie rücksichtslos genug gewesen waren, die

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