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Ein Berliner Junge

Ein Berliner Junge

Titel: Ein Berliner Junge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adolf Damaschke
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oder wie wir, die wir noch den alten Groschen zu zwölf Pfennig kannten, natürlich sagten: einen »Sechser«. Aber das war zu teuer. Und so bewarb man sich, meist mit Erfolg, um eine städtische Freikarte, unsere Sechser-Badeanstalt lag in der Burgstraße und hatte durch die Nähe des Mühlendammes verhältnismäßig guten Wellenschlag und reines Wasser. Ich weiß nicht, in welchem Jahre ich mit dem Baden in der Spree begann. Es war gewiß sehr früh. Ich weiß auch nicht, wie ich schwimmen lernte. Man hielt sich eben an den Gitterstäben fest, zog die Beine möglichst hoch, stieß sich ab und versuchte dann, sich möglichst lange gegen das Untergehen mit Händen und Füßen zu wehren. Jedenfalls, als ich acht Jahre alt war, war ich durchaus sicher im Wasser und konnte jede Art des Schwimmens. Es mußte eben sein; denn in diesen Badeanstalten, die von Berliner Jungens überfüllt waren, herrschte ein herzlicher, aber rauher Ton, und eher als das Dichterwort selbst lernte man seine Wahrheit kennen, nach dem sich ein Charakter nur im Strom der Welt bildet. Man mußte sich eben wehren: auf den Treppen, auf dem Sprungbrett, im Wasser - Schonung oder mildernde Umstände hatte niemand zu erwarten. Und das ist gut so.
    Man setzte seinen Stolz darein, möglichst lange im Wasser zu bleiben, gewöhnlich bis die Fingerspitzen blau wurden. Und war man dann gerade mit dem Anziehen fertig und es kam ein guter Kamerad, dann zog man sich wohl wieder aus - »damit der andere nicht so allein wäre«.
    Dieses Baden setzt in dem gefährlichen Alter der Geschlechtsreife viel überschüssige Kraft in gesunde Übung um. Und von allem Sport scheint mir der gesündeste das Schwimmen zu sein, weil es in völlig staubfreier Luft den Körper gleichmäßig auszubilden vermag. Doch von allen diesen Überlegungen hatten wir vor fünfzig Jahren natürlich keinen Begriff. Man traf sich, stieß sich, tauchte und wurde getaucht. Die Überlegung tritt in der Regel erst ein, wenn das natürliche Genießen nicht mehr möglich ist.
     
     
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Erster Ergeiz
     
    Wie verschiedene Ziele doch der Ehrgeiz sich in verschiedenen Lebensaltern setzt! Eine Zeitlang bestand unter uns ein stark ausgeprägtes Streben nach Ehre darin, die dicksten Schnitten zu haben und diese - Schnitten ist natürlich kein Berliner Ausdruck, es muß Stullen heißen! - Stullen nicht von der Mutter direkt zu holen, sondern sie möglichst umständlich zu erhalten. Am stolzesten war man, wenn man sie vom Fenster im zweiten Stockwerk durch eine Schnur hinuntergelassen erhielt. Das geschah natürlich erst, wenn das viele Geschrei: »Mutta, ich habe Hunga!« eben so unausstehlich wurde, daß die Vielgeplagte sich entschloß, in dieser umständlichen Art die soziale Frage ihres Jüngsten zu befriedigen. Einmal allerdings mußte ich meine Vesperstulle mit herunternehmen. Ich stand in der offenen Tür der Werkstatt. Die Gesellen ruhten wohl. Vater war noch an seiner Hobelbank beschäftigt. Ich war höchst unzufrieden, weil die Stulle nicht meinen Ansprüchen auf Dicke genügte. Immer wieder hob ich sie beschwörend in die Höhe: »So ne olle dünne!« Ich wagte damit gar nicht, meinen Spießgesellen unter die Augen zu kommen. Zunächst wollte Vater gut zureden; aber als mein Geklöne nicht aufhörte, sah er sich um: »Ist denn hier keine Latte?« - ein Zauberwort, darob ich sofort mit Mutters Stulle verschwand. Ich habe sie dann voller Scham auf der dunklen Treppe rasch verschlungen. Später hat der Ehrgeiz etwas andere Ziele gesucht.
     
     
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Das Ende des Freundes
     
    Als wir etwa neun Jahre alt waren, kam Fritz Veit eines Morgens ganz früh zu mir, um Abschied zu nehmen. Es waren Herbstferien, und der glückliche reiche Junge konnte »auf Ferien fahren«. Er besuchte den Amtsvorsteher in dem benachbarten Dalldorf. Am Nachmittag schon brachte man seine Leiche. Er war auf einen Erntewagen gestiegen, wollte die Zügel ergreifen, war ins Rutschen gekommen, vom Wagen gestürzt und von diesem überfahren worden. Ich sehe noch das blutige Kind vor mir, dessen kleiner, schöner Kopf so zerschmettert war, daß er durch ein Tuch zusammengebunden werden mußte. Seine Mutter erschrak bei diesem unerwarteten, fürchterlichen Anblick ihres Lieblings so, daß sie ein Leiden bekam, von dem sie sich nicht wieder erholte. Und diese schöne Frau, die soviel Gutes getan hatte, erlitt durch den Magenkrebs gleichsam den Hungertod.
     
     
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Freunde fürs Leben
     
    Meine besten

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