Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein besonderer Junge

Ein besonderer Junge

Titel: Ein besonderer Junge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
stellen. Aber was sollte ich ihr sagen? Dass ich keine Lust auf ein Abenteuer mit ihr hatte? Dass sie kein Begehren in mir weckte? Argumente, die eine Frau ohne zu zögern jedem Mann auftischen würde, dem sie sich entziehen will, aber im umgekehrten Fall schien mir das, auch wenn es reine Förmlichkeit wäre, nicht möglichzu sein. Das Pfeifen des Winds in den Fensterrahmen war endlich verstummt. Helena hatte sich und mir ein Glas Cognac eingeschenkt. Mit dem Rücken an die Sofakissen gelehnt, saß sie nachdenklich da und stieß lange, schwermütige Rauchschwaden aus. Sie bedeutete mir, mich neben sie zu setzen. Wie konnte ich ihre Einladung ablehnen, ohne wie eine verschüchterte Jungfer zu wirken? Aus Angst, mich lächerlich zu machen, setzte ich mich neben sie, doch es war nicht einfach, die Haltung eines Mannes, der sich verweigerte, aufrechtzuerhalten. Wortlos schob sie ihre Hand in den Ausschnitt meines Hemds und streichelte meine Brust, dann beugte sie sich über mich, und im Alkohol- und Tabakgeruch ihres warmen Atems berührten ihre brennenden Lippen meinen Hals. Stocksteif auf dem Sofa sitzend, die Hände auf den Knien, war ich mir sicher, dass sie das Flattern meines Herzschlags spürte. Mir war klar, dass die kleinste Geste, die geringste Unachtsamkeit von meiner Seite uns sogleich in ihr Schlafzimmer befördern würde, und diese Aussicht jagte mir grenzenlose Angst ein. Es war nicht so sehr die Härte dieses Gesichts noch die Sprödheit ihres Körpers, die mich lähmten   – der Anblick ihrer zierlichen Hüften wie am ersten Abend, als sie vor mir die Treppe hochstieg, hätte gewiss genügt, um in mir so etwas wie Begehren wachzurufen   –, es war vielmehr die verworrene Lage, die Vorstellung, mich auf eine schmutzige Geschichte einzulassen, der ich nicht gewachsen war. Und dass ich bei einer so erfahrenen Frau versagen könnte, trug in nicht unerheblichem Maße zu meiner Weigerung bei.
    Ein weiterer Gedanke drängte sich mir allerdings auf,während Helenas Hände begannen, meinen Gürtel zu öffnen: Ich würde Iannis verraten, wenn ich mit seiner Mutter schliefe. Ohne Helena und mich bei der geringsten Zärtlichkeit ertappt zu haben, würde der Junge es wissen, wie er jedes Mal Bescheid wusste, wenn er in meine Gedanken eingedrungen war, und so den Salzstreuer am Strand entdeckte oder den Weg zu dem Hotel fand, das die Spuren meiner Kindheit barg.
    Im Nu schnellte ich vom Sofa hoch, ordnete meine Kleidung, während ich für Helena eine spontan zusammengeschusterte Notlüge stammelte: Ich hätte gerade ein Mädchen kennengelernt, es bedeute mir viel, ich wolle es nicht betrügen.
    Ihr Gesicht erstarrte, ein Schatten huschte durch ihren Blick. Ich glaubte zu sehen, dass ihre Augen feucht wurden, doch sie fasste sich und brach in Gelächter aus.
    »Ein Junge aus dem letzten Jahrhundert! Und ausgerechnet auf ihn muss ich treffen!«
    Dann fixierte sie mich mit einem Funkeln tief in ihren Pupillen.
    »Warum stellst du das Mädchen zwischen uns? Sie ist weit weg, und das hier geht nur uns etwas an. Wird es an eurer Beziehung etwas ändern, wenn ich ein wenig an dir knabbere? Wirst du sie weniger lieben, wenn ich, für die Dauer des Aufenthalts in dieser trostlosen Stadt, von deiner Jugend koste?«
    Ich hätte mit einer solchen Reaktion von ihrer Seite rechnen müssen. Ich hatte ihr nichts entgegenzusetzen, sie reagierte auf diese Kränkung auf dieselbe Weise wie auf das rätselhafte Verhalten von Iannis: mit Ironie und Grobheit.
    »Ebenso gut hättest du mich daran erinnern können, dass ich eine verheiratete Frau bin und Untreue eine Sünde ist!«
    Sie schüttelte den Kopf, mimte Niedergeschlagenheit.
    »Meine Güte, aus welcher Generation stammst du denn?«
    Ihre Stimme grollte, schlug wieder den Ton jenes Abends an, als sie mir vorgehalten hatte, Fleisch für ihren Sohn gekocht zu haben. Sie stand auf, ging im Zimmer umher, schien unschlüssig, wozu sie sich entschließen sollte. Dann kam sie zu mir, drückte ihren Körper eng an mich. Sie schob eine Hand zwischen meine Beine.
    »Du glaubst vielleicht, eine Frau könne sich nicht an einem Mann vergehen, weil er dann keinen hochkriegt, ja?«
    Und mit einem Ruck warf sie mich auf das Sofa, um mich zu bespringen und sich mit ihrem Mund an meinem Hals festzusaugen.
    Unter dem Druck ihres Körpers hatte ich keine Mittel zu widerstehen, ich war gefangen im Schraubstock ihrer Arme, die eine irrwitzige Kraft entfalteten. Sehr schnell begann sie zu hecheln, und

Weitere Kostenlose Bücher