Ein besonderer Junge
des Saut-du-Loup. Der Park, im goldenen Zeitalter des Badeorts angelegt, bot Spaziergängern eine Felslandschaft mit Grotte und Wasserbecken im Stil der Belle Epoque. Bei großen Anlässen spielte ein Blasorchester im Musikpavillon. Ein Wasserfall rauschte einen Steilhang hinunter und speiste den künstlichen Bach, der sich zwischen den Beeten und Rabatten hindurchschlängelte.
Als Horvilles Glanz verblasste, wurde die Anlage aus Mangel an Pflege gefährlich. Der Badeort war Vergangenheit, die Epoche des Saut-du-Loup-Parks von einer neuen Zeit abgelöst, die Gemeinde hatte auf einem Teil des Geländes Tennisplätze gebaut, den Rest in Parzellen aufgeteilt und verkauft.
Der unfallträchtigste Teil, der zu viele Erdarbeiten erfordert hätte, war von dieser Teilung verschont geblieben. Seit mehr als einem halben Jahrhundert lag er im Schutz seiner hohen Mauern im Dornröschenschlaf, und niemand durfte ihn betreten. Nur die Kuppe des Steilhangs überragte,überwuchert von Brombeerhecken und wildem Wein, die Gartenmauer des Hotels.
Während ich Iannis auf dem Rückweg zur Villa auf der Mole, auf der alles durcheinanderwirbelte, was der Wind vom Strand fortgeweht hatte, fest an der Hand hielt, fühlte ich das Unbehagen wachsen, das der Anblick des Saut-du-Loup in mir ausgelöst hatte. Die Grenze, die mich von meinen Erinnerungen trennte, wurde immer schmaler, und meine Spannung übertrug sich wie ein elektrischer Strom auf den Jungen, dessen Hand in meiner zitterte.
Brachland, von einem Dschungel überwuchert, von dessen Erforschung wir träumten, die Überreste des Parks riefen unsere Neugier hervor. Antoines Mutter hatte uns ermahnt, es komme nicht in Frage, dass wir uns auf dieses gefährliche Gelände wagten, doch ihr Sohn hatte ein Feuerwerk an Erfindungen entfacht, um ihr wertvolle Hinweise zu entlocken: Die einstigen Besitzer hatten ihr von einem Schlüssel erzählt, mit dem sich das Metalltor aufschließen ließ, der bislang jedoch unauffindbar geblieben war. Antoine wusste, dass es in den Kellern des Hotels einen Schrank gab, der eine ganze Schlüsselsammlung beherbergte, im Wesentlichen Hauptschlüssel, die früher von den Zimmermädchen benutzt worden waren. Wir probierten sie alle, bis der Augenblick kam, als einer von ihnen sich bereitwillig im Schloss drehte. Vor uns hatte sich eine wahre Schatztruhe geöffnet.
Damit begann ein Abenteuer, das durch das Verbot noch viel spannender wurde. Um das Gelände zu erkunden, bahnten
Antoine und ich uns einen Weg durch das hohe Gras und das Dornengestrüpp, das die Wege überwucherte; zwischen den Zweigen machten wir den beschädigten Beton des künstlichen Bachlaufs ausfindig, die Brücke, die ihn überspannte, ihre Balustrade mit der in Stein gehauenen falschen Holzmaserung und die zur Hälfte mit nasser Erde gefüllten Brunnenschalen. Wir knickten die Brennnesseln zur Seite, reckten den Hals zur Kuppe des Steilhangs und zwängten uns in die mit Stalaktiten aus Beton geschmückte Grotte, die sich an seinem Fuß öffnete. So oft wie möglich machten wir uns aus dem Staub und kehrten in den Park zurück, von dem wir nun jeden Schlupfwinkel kannten. Ohne sich um die Gefahr von Steinschlag zu kümmern, hatte es Antoine, der kühner war als ich, eines Tages gewagt, das Felsgestein zu erklimmen, und mir von der Kuppe aus zugerufen, dass er hinter den Schieferdächern das Meer schimmern sehe.
Wir hatten uns geschworen, keinem Menschen von unseren Streifzügen durch den verlassenen Park zu erzählen: Dieser Ort gehörte uns. Hätte jemand erfahren, dass wir die Tür geöffnet hatten, wäre sie zugemauert worden, und das wäre ein für alle Mal das Ende unseres geheimen Gartens gewesen.
Die Angst, die mich erfasst hatte, als ich Iannis verlor, und die Unruhe, die unsere Besichtigung von Horville in mir geweckt hatte, wichen nicht so schnell von mir. Noch am Abend, beim gemeinsamen Essen, während die letzten Sturmböen gegen die Mauern der Villa klatschten, sah ich in Gedanken das Hôtel des Flots und die Kuppe des Steilhangs vor mir, der sich im Gegenlicht erhob wie ein gespenstischer, mit Brombeergestrüpp gespickter, bedrohlicher Schädel.
Iannis ließ sich ohne Schwierigkeiten ins Bett bringen, ich schloss leise die Tür, doch es war noch früh, und ich wusste, dass Helena im Salon auf mich wartete. Sollte ich mich als so feige entpuppen, mich in mein Schlafzimmer einzuschließen, um dieser Begegnung auszuweichen? Ich musste mich der Situation
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