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Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs

Titel: Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Bourdain
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Restaurant dämpft oder kocht den Fisch, bevor er von City Harvest abgeholt wird. (Angeblich würden sonst die Lieferwagen nach Fisch stinken.)
    Mir kommt die Idee, dass man doch versuchen könnte, eine Art Sondereinsatztruppe aus ehemaligen Straffälligen oder Drogenabhängigen einzurichten, denen man das Zerlegen von Fisch beibringt - sie könnten dann bei den teilnehmenden Restaurants vorfahren und schnell jeden Streifen verwertbaren Fischs auslösen. Damit könnte man wahrscheinlich ganz schön viele Leute satt kriegen. Wenn die Haltbarkeit ein Problem wäre, könnte man den Fisch vielleicht auch schnell vor Ort pürieren und Tausende von Fischbällchen asiatischen Stils oder Fischfrikadellen zubereiten und einfrieren. (Merken: Mit Eric über diese Idee sprechen.)
    Nachdem Justo den Berg aus Rochen bearbeitet hat, bleiben zwei große Stapel vollkommen knorpelfreier Stücke
übrig. Justo entfernt mit der flexiblen Klinge seines Messers im 45-Grad-Winkel zuerst die Haut auf der einen, dann auf der anderen Seite, schneidet alles weg, was blutig oder rosa ist, begradigt die Ränder, schneidet die Stücke in der gewünschten Stärke zu und bringt sie in die richtige Form. Fische sind von Natur aus stromlinienförmig, das heißt, auch das Filet der meisten Fische - und auch der Rochenflügel - läuft spitz zu und wird am Rand und zum Schwanz hin dünner. Ideal, um sich im Wasser zu bewegen. Nicht so ideal zum Kochen und Braten. Ein Küchenchef oder Koch betrachtet den graziösen Körper und sieht ein Stück Protein, das ungleichmäßig gar wird: Wenn die Mitte - der dickste Teil - perfekt ist, sind die Seiten schon zu durch. Sie sehen ein Stück Fisch, das nicht so aussieht, als ob man 39 Dollar dafür verlangen könnte. Die Gäste sollten wissen, dass sie nicht nur für das bezahlen, was auf dem Teller liegt (das gilt für jedes Gericht im Restaurant), sondern auch für alles, was nicht auf dem Teller ist: Knochen, Haut, Fett und Abfall, für die der Küchenchef aufs Gramm genau bezahlt hat. Wenn Eric Ripert beispielsweise zehn oder zwanzig Dollar für ein Kilo Fisch bezahlt, dann ist es dem Händler vollkommen egal, dass siebzig Prozent davon im Müll landen. Er verlangt trotzdem den vollen Preis. Das Gleiche gilt für Fleisch und Geflügel - und jeden anderen Proteinlieferanten. Der Preis auf dem Markt liegt vielleicht bei fünf Dollar pro Kilo, aber wenn das gesäuberte, präparierte Stück Fleisch oder Fisch auf dem Teller liegt, kann es locker achtzehn Dollar pro Kilo kosten. Und damit ist derjenige, der das Fleisch zugeschnitten hat, noch gar nicht bezahlt. Die Diskrepanz zwischen Einkaufspreis und Verkaufspreis ist in der Spitzengastronomie
noch extremer. Das berühmte Prinzip der französischen Küche, »alles zu verwenden«, nach dem die meisten Küchenchefs arbeiten, gilt nicht in einem Dreisternerestaurant. Hier heißt es: »Nur das Beste vom Besten.«
    Und der Rest? Man tut, was man kann.
    Justo ordnet die letzten, unregelmäßigen Rochenstücke, legt immer zwei übereinander und schneidet sie auf die gleiche Form zurecht. Er nimmt eins weg, das ihm nicht so richtig gefällt - ein kaum wahrnehmbarer Makel. Die meisten Köche würden instinktiv das nicht ganz so schöne Stück unter ein perfektes legen. Die Kosten. Immer an die Kosten denken. Aber nicht Justo.
    »Das ist, wie wenn man saubere Kleider über schmutziger Unterwäsche trägt«, sagt er - ohne eine Spur von Humor. Das nicht ganz einwandfreie Stück wandert in den Müll.
    Es ist erst Viertel vor neun, und die Rochen sind fertig. Wieder wird der Tisch abgewischt. Auch die Messer werden gespült. Der Rochen wird nach oben gebracht. Als nächstes landet ein großer Weißer Thunfisch auf dem Schneidebrett. Justo schneidet in die Haut und zeigt mir einen einzelnen, sehr weichen, versteckten Knochen. »Messer zu scharf? Man schneidet durch - man spürt es nicht.«
    Von diesem Thunfisch fallen viele sehr hochwertige Teile für City Harvest ab. In der Nähe des Schwanzes sieht Justo etwas, das ihm nicht gefällt, und schneidet es großzügig heraus. Der Fisch wird zerlegt wie für eine Sushibar. Keine dunkle Membran, keine unschönen Stellen. Nur das Fleisch aus der Mitte. Justo zerlegt den Fisch rasch in vier makellose Filets. Dann teilt er die Filets ohne zu zögern in passende Stücke, von denen dann die Medaillons geschnitten werden.
Er arbeitet wie eine Maschine. Identische Scheiben fallen von seinem Messer wie industriell geschnittenes Brot. In der

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