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Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs

Titel: Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Bourdain
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Schale aufgereiht, haben sie genau die gleiche Größe, das gleiche Gewicht und die gleiche Stärke. Fast entschuldigend deutet er auf den großen Haufen Thunfischstücke bester Qualität, der auf dem Brett zurückbleibt. Sie haben nicht die richtige Größe, deshalb kommen sie weg. Nach dem Zuschneiden kostet der Thunfisch das Restaurant bestimmt dreizehn Dollar das Kilo.
    »Schwierig, das perfekt zuzuschneiden - und deshalb Abfall«, gibt er zu.
    Viertel nach neun, und Justo lässt jede Menge abstoßend aussehender Seeteufel in den Ausguss gleiten.
    Seeteufel gehören zu den schleimigsten, hässlichsten Kreaturen, die man im Meer finden kann. Aber sie schmecken wunderbar - wenn man erst einmal die glitschige Haut abgezogen und das rote und rosa Fleisch entfernt hat.
    »Das Messer ist nur für Seeteufel«, sagt Justo und zeigt mir ein Messer mit langer Klinge, das früher vielleicht einmal ein normales Kochmesser war, dessen Klinge jedoch im Lauf der Jahre sehr dünn und gebogen geschliffen wurde. Nachdem er das Seeteufelfleisch von der dicken Mittelgräte gelöst hat, zuerst die eine, dann die andere Seite, packt er die Schwanzenden, führt die flexible Klinge unter der Haut entlang und zieht sie ab. Mit einer seltsamen, schnipsenden Bewegung schneidet er alles weg, was rot oder rosa ist.
    Es ist auffallend still im Raum. Ich frage ihn, ob er manchmal Musik bei der Arbeit hört.
    Er schüttelt heftig den Kopf. »Ich - ich konzentriere mich gern.« Er sagt, er werde durch die Musik abgelenkt
und würde sich dann womöglich schneiden - was für ihn nicht so schlimm sei, aber für den Fisch: »Ich will kein Blut auf dem Fisch. Ich trödle nicht herum. Ich arbeite schnell, weil ich entspannt bin. Ich habe nichts anderes im Kopf, nur den Fisch.«
    Um zwanzig vor zehn ist der Seeteufel fertig und bereits oben im Kühlraum. Jetzt sind zwei Arten Lachs an der Reihe. Ein großer Wildfang und acht sechs bis sieben Kilo schwere Zuchtlachse von einer Biofarm. In den letzten Jahren ist im Le Bernardin die Nachhaltigkeit immer stärker in den Vordergrund gerückt. Vor allem diese Zuchtlachse von der Biofarm sollen sehr gut sein. Justo sind sie lieber. »Die Biolachse, die gezüchteten, sind fetter. Sie sind roh besser. Die wilden haben mir zu viele Muskeln. Sie schwimmen zu viel.« Mit dem Kochmesser fährt er an der Mittelgräte entlang, zuerst am Rücken, dann am Bauch bis zum Schwanz, und hebt die Filets ab. Er entfernt ein Stück, das noch an der Mittelgräte des Zuchtlachses hängt, und gibt es mir. Es schmeckt tatsächlich außergewöhnlich. Die Haut wird mit ein paar wellenförmigen Bewegungen des Messers abgelöst. Am bemerkenswertesten ist jedoch, was er mit den Bauchhöhlengräten macht. Das sind die winzig kleinen, fast unsichtbaren fiesen »Rippen«, die im Filet bleiben, wenn man es von der Mittelgräte löst. Sie müssen einzeln entfernt werden. Dazu greift man die kleinen Biester mit einer Pinzette oder feinen Spitzzange, was die meisten Köche einige Zeit kostet. Gewöhnliche Sterbliche müssen jede Gräte ertasten, die unter der Oberfläche lauert, ohne dabei das zarte Fleisch zu beschädigen. Justo wirbelt mit der Hand blitzschnell über das Filet; zieht eine Gräte heraus, klopft die Zange am
Schneidebrett ab und wiederholt diese Bewegung wieder und wieder, ohne abzusetzen, im Grunde ist es eine einzige fließende Bewegung. Es klingt wie ein schneller Beat, ein stakkatoartiges Tap Tap Tap Tap Tap Tap, und schon ist er fertig. Eine kurze, nur ein paar Sekunden währende Pause, dann macht er sich an das nächste Filet. Ich kann gar nicht so schnell schauen, wie er sich bewegt.
    In fast drei Jahrzehnten in der Restaurantbranche habe ich so etwas noch nicht gesehen.
    Mit dem Tranchiermesser hebt er das gräuliche, tranige Fleisch, das am Rücken entlangläuft, vom rosa Fleisch ab, eine heikle Operation, für die er natürlich nur wenige Sekunden benötigt. Eine ganze Seite Wildlachs wird für den Gardemanger beiseitegelegt. Justo legt ein Backblech mit Frischhaltefolie aus, setzt den Lachs darauf - und umwickelt dann das komplette Blech dreimal mit Plastikfolie. Der Fisch ist nun so fest eingewickelt, als sei er laminiert worden.
    »So passiert dem Fisch nichts, falls er runterfällt«, erklärt Justo.
    In etwa zwei Minuten ist der restliche Lachs in Tranchen von 75 bis 80 Gramm portioniert. Justo prüft jedes Stück noch ein zweites Mal, indem er es leicht mit dem Finger antippt, nachdem er die Tranchen

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