Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs
klar als später. Arbeiten Sie, wenn nötig, ohne Bezahlung, in einer hektischen Küche. Jede Küche, die Sie haben will, ist recht - ein betriebsames Appelbee’s, ein T.G.I. Friday’s oder sonst was. Geeignet ist jedes Restaurant, das einen unerfahrenen Typen wie Sie ein paar Monate lang in die Küche lässt und Ihnen hartnäckig und immer wieder vors Schienbein tritt. Wenn Ihnen nach sechs Monaten Geschirrspülen, Hilfs- und Dienstbotentätigkeiten für ein Küchenteam, das Ihnen kaum mehr Interesse entgegenbringt als einem Mäusedreck, die Arbeit immer noch gefällt und Sie sich vorstellen können, dass Sie im Kreise dieser Verfluchten glücklich sein könnten - dann herzlich willkommen.
Falls Sie nach alldem zu dem Schluss kommen, dass Sie Individualist sind und in der normalen Welt sowieso nie glücklich würden, dann ist eine Kochausbildung eine gute Idee. Aber suchen Sie sich die beste Schule aus. Die Schule hat den Vorteil, dass Sie dort ein Fundament erhalten, ein Grundwissen und ein Repertoire der wichtigsten Techniken. Der größte Vorteil einer solchen Ausbildung ist es, dass Sie den Küchenchef nicht ständig aus der Arbeit reißen, damit er Ihnen erklärt, was man unter brunoise versteht.
Sie wissen, was gemeint ist, wenn er Ihnen quer durch die Küche zuruft, dass Sie das Lamm braisieren sollen. Sie können ein Hühnchen zerlegen, eine Auster öffnen, einen Fisch filetieren. Das müssen Sie nicht alles wissen, wenn Sie anfangen zu arbeiten, aber es ist eine verdammt große Hilfe.
Nach der Kochschule versuchen Sie so lange, wie Sie es sich nur leisten können, in den allerbesten Küchen zu arbeiten, die Sie einstellen, und so weit weg von zu Hause, wie es irgend geht. Das ist der wichtigste Abschnitt Ihrer Karriere, der später von unschätzbarem Wert sein kann. Ich habe ihn in den Sand gesetzt.
Ich machte meinen Abschluss und hatte das Gefühl, die Welt ist mein Büfett. Vom Fleck weg ergatterte ich einen nach damaligem Maßstab ziemlich gut bezahlten Job. Ich amüsierte mich prächtig, arbeitete mit Freunden zusammen, kiffte, riss Mädels auf und kam zu dem Schluss, dass ich ziemlich genial war und jede Menge Talent hatte.
In beiden Fällen lag ich daneben.
Statt damals, als ich die Chance hatte, Zeit und Mühe zu investieren und in richtig guten Küchen zu arbeiten, verdammte ich mich in alle Ewigkeit zur Arbeit in zweitklassigen, meist sogar in dritt- oder viertklassigen Restaurantküchen. Bald gab es kein Zurück mehr. Keine Chance, auf einen geringeren Verdienst zu gehen. Ich wurde älter, und die Bestie, die es zu füttern galt, wurde nie kleiner, sondern immer größer und anspruchsvoller.
Plötzlich waren zehn Jahre vergangen, und mein Lebenslauf war bei näherem Hinsehen, freundlich ausgedrückt, wenig imposant. Realistisch betrachtet gab er Auskunft darüber, dass ich eine beschissene Prioritätenliste und den Hang zum
Underachiever hatte. Im Rückblick finde ich die Latte an Dingen, die ich nie richtig gut gelernt habe, immer noch schockierend. Den Anforderungen, die mich in den Küchen der meisten meiner Freunde erwarten würden, könnte ich schlichtweg nicht gerecht werden, und damit muss ich leben. Das bedaure ich besonders. Zwischen akzeptabel und raffiniert klafft ein Abgrund von der Größe eines Ozeans. Zudem besteht ein riesiger Unterschied zwischen einer positiven Arbeitseinstellung (die ich habe) und der Art Disziplin, die ein Koch bei Robuchon braucht. Die Entscheidungen, die ich unmittelbar nach dem Abschluss meiner Ausbildung traf, haben mich auf alle Zeit eingeschränkt.
Ich hatte meine Chance als Küchenchef, und ich ließ sie verstreichen. Die Weichen, die ich damals für meine Zukunft stellte - für das, was ich tun würde, mit wem und wo ich es tun würde -, führten mich auf ein Gleis, auf dem ich die nächsten zwanzig Jahre blieb. Wenn nicht der irre und völlig unerwartete Erfolg mit Geständnisse eines Küchenchefs gewesen wäre, stünde ich heute, mit dreiundfünfzig, noch immer am Herd eines soliden, aber niemals großartigen Restaurants. Ich wäre mit meiner Steuer Jahre im Rückstand, hätte noch immer keine Krankenversicherung, einen Mund voll Karies, einen Schuldenberg und einen ständig abnehmenden Wert als Koch.
Wenn Sie zweiundzwanzig sind, körperlich fit, begierig zu lernen und besser zu werden, dann rate ich Ihnen dringend, zu reisen, so weit wie irgend möglich. Schlafen Sie auf dem Boden, wenn es sein muss. Sehen Sie sich an, wie andere Völker
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