Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs
neun oder zehn philippinische Kindermädchen und ihre Schützlinge ebenfalls die Hüften und bewegen sich auf Strümpfen zur Musik. Meine Tanzpartnerin ist ein zweijähriges Mädchen in rosa Strumpfhosen und einem Ballettröckchen. Das rote Zeug unter meinen Fingernägeln ist vermutlich Knete.
Mir ist vollkommen klar, dass das nicht cool ist. Das ist so weit entfernt von cool, wie ein Mann nur sein kann. Aber darauf verschwende ich keinen Gedanken. Diese Grenze habe ich schon vor langer Zeit überschritten. Wenn ich meinen
Gemütszustand analysieren müsste, dann würde ich sagen, dass ich mich ziemlich gut fühle - in dieser selbstgefälligen Upper East Side-Manier, auf diese Bugaboo-Kinderwagen besitzende, gehwegterrorisierende, selbstgerechte Art, die so typisch ist für die Gruppe, der ich neuerdings angehöre. Schließlich bin ich der einzige Elternteil hier an diesem schönen Dienstagnachmittag, allein unter den hüftschwingenden Kindermädchen und den kleinen Sophias, Vanessas, Julias, Emmas und Isabellas. Meine Tochter, die mit manischem Grinsen etwa einen Meter tiefer hüpft und tanzt, freut sich sehr, dass ich da bin. »Richtig, ich liebe dich viel mehr, als die anderen Mütter ihre Kinder lieben. Daddy ist da - und sie nicht. Sie lassen sich ihre blöden Nägel machen, haben Affären, gehen zum Pilateskurs oder was auch immer schlechte Eltern machen … Ich bin für dich da, Boo … Tanze mir die Seele aus dem Leib - etwas, was ich für keinen anderen Menschen auf der Welt täte. Nur für dich. Ich bin ein guter Daddy. Ein guuuter Daddy!«
Wenn sie brav ist, bekommt sie nachher ein Eis. Ich setzte sie gut sichtbar neben mich, mit dem Blick zur Straße, in der heimlichen Hoffnung, dass den Passanten auffällt, wie hübsch sie in ihrem Pulli von Petit Bateau aussieht, wie entzückend wir zwei zusammen wirken, was für ein wunderbarer Vater ich bin. Dann gehen wir nach Hause, ich trage sie auf den Schultern oder halte ihre kleine Hand, und ich schwebe auf einer Wolke der Selbstgefälligkeit.
Mit dem Coolsein habe ich abgeschlossen. Oder, um genau zu sein, ich habe mit der Vorstellung abgeschlossen, dass irgendjemand die Möglichkeit in Erwägung ziehen könnte, ich würde cool wirken. Wie jeder ergebene Vater tief in seinem
Innern weiß, entschwindet das (falls noch vorhandene) letzte bisschen Coolness in dem Moment, in dem man zum ersten Mal sein Erstgeborenes erblickt. In dem Augenblick, in dem man sich vorbeugt und sieht, wie das eigene Kind diese erste Vierteldrehung mit dem Kopf macht, da … tja, da weiß man, dass man seine geliebte schwarze Motorradlederjacke in die nächste Mülltonne stopfen kann. Auch die Tage des Ohrrings sind gezählt. Er wirkt jetzt irgendwie … würdelos.
Norman Mailer beschrieb den Wunsch, cool zu sein, als den »Entschluss, den Psychopathen in einem selbst zu ermutigen, jenen Erfahrungsbereich zu erforschen, wo Sicherheit Langeweile und daher Krankheit bedeutet und man in der Gegenwart existiert, innerhalb dieser riesigen Gegenwart, welche ohne Vergangenheit und Zukunft ist, ohne Erinnerung und ohne Plan und Ziel«.
Ich habe den Psychopathen in mir fast mein Leben lang ermutigt. Tatsächlich ist das eine elegante Umschreibung für alles, was ich getan habe. Aber ich denke, diese Zeiten sind vorbei.
Die Essenz des Coolseins besteht darin, dass einem alles scheißegal ist.
Machen wir uns nichts vor: Heute ist mir gar nichts mehr egal. Überhaupt nicht egal. Dagegen verblasst alles - wirklich alles - andere. Etwas anderes zu behaupten, ob mit Worten oder Taten, wäre eine Riesenlüge. Also keine T-Shirts mehr von den Dead Boys. Wem sollte ich was vormachen? Ihre charmant nihilistische Weltsicht spiegelt meine so gar nicht wider. Wenn Stiv Bators noch leben und sich auch nur in die Nähe meiner süßen kleinen Tochter wagen würde,
würde ich ihm das Genick brechen - und dann alles gründlich mit Feuchttüchern aufwischen.
Keine Chance, hip zu sein.
Mein Freund A. A. Gill hat mich darauf hingewiesen, dass es für eine Tochter ab einem gewissen Alter - so ab fünf - nichts Schlimmeres und Peinlicheres gibt, als ihren Vater rocken zu sehen. Vielleicht ist die eigene Plattensammlung tatsächlich cooler, als die der Tochter je sein wird, aber das macht keinen Unterschied. Es ist ihr egal. Und allen anderen auch. Wenn man Glück hat, wird ein Enkel, lange, nachdem man dahingeschieden ist, »Fun House« von The Stooges in der Sammlung für sich entdecken. Aber dann ist es zu
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