Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs
spät, um sich noch einmal daran zu ergötzen, dass man mal als cool galt.
Es ist nichts Cooles an dem Satz: »Früher war er einmal cool.«
Das alles ist nur recht und billig. Historisch betrachtet war es nie gut, den Alten zu viel Respekt zu zollen. Ich will, dass meine Tochter mich liebt. Sie muss nicht unbedingt meine Vorliebe für irisches Bier oder Aztekensalbei teilen.
Wenn man die Kinder der ewig Coolen sieht - in Sendungen wie Behind the Music -, wirken sie peinlich berührt und ein bisschen verloren. Sie reden über ihre immer noch aktiven Rock-’n’-Roll-Väter, als ob sie die widerwilligen Wärter einer seltsamen Rasse außergewöhnlich faltiger Kinder mit schlechtem Benehmen wären. Kinder sind vielleicht noch nicht alt genug, um zu wissen, was cool ist, aber sie spüren ganz genau, was uncool ist.
Kinder wollen keine coolen Eltern. Als ich jung war, waren die »coolen« Eltern die, bei denen man daheim Gras rauchen konnte - oder bei denen man bei der Tochter übernachten
durfte. Damit wäre Sarah Palin »cool«. Aber soweit ich mich erinnern kann, fanden wir solche Eltern irgendwie gruselig. Klar, sie machten keine Probleme, aber irgendetwas stimmte mit ihnen nicht, oder warum fanden sie uns sonst so unterhaltsam? Hatten sie keine eigenen Freunde? Insgeheim hassten wir sie.
Mein dreißigster Geburtstag war für mich eine grausame Überraschung. Ich hatte eigentlich nicht geplant, so alt zu werden. Ich hatte die Maximen meiner Zeit ernst genommen - »Trau keinem über dreißig« und »Live fast, die young« - und war ehrlich schockiert, als ich feststellen musste, dass ich selbst so lange lebte. Ich hatte alles Erdenkliche getan, um das Gegenteil zu erreichen, aber da war ich nun - ohne einen Plan B. Die Arbeit im Restaurant bot ein gewisses Maß an Stabilität, weil man von mir erwartete, dass ich morgens aufstand und zu meiner Schicht erschien - und das Heroin gab meinem Alltag zumindest ein Ziel. Mit Anfang dreißig wusste ich meistens, was ich jeden Tag zu tun hatte: mir Heroin besorgen.
Über meine erste Ehe sage ich nur so viel: Wenn ich mir Gus Van Sants Drugstore Cowboy ansehe, vor allem die Beziehung zwischen Matt Dillon als Bob und Kelly Lynch als Dianne, werde ich sentimental. Der Film erinnert mich daran, dass selbst die schlimmsten Zeiten glücklich sein können - bis sie es nicht mehr sind.
Doch mit Ende dreißig musste ich feststellen, dass ich immer noch da war. Ich spürte eine gewisse Enttäuschung, gepaart mit Verwirrung - und dem Gefühl, versagt zu haben. »Und was mache ich jetzt ? «, dachte ich. Ich war clean, brauchte kein Heroin und Methadon mehr und hatte endlich
- endlich - meine lebenslange Liebesaffäre mit dem Kokain beendet. Wo war meine Belohnung für diese Kasteiungen? Sollte ich mich nicht gut fühlen? Wenn überhaupt, dann erkannte ich aufgrund meiner Nüchternheit eine Leere und Unzufriedenheit in meinem Leben; ein Loch, das ich in den vergangenen fünfundzwanzig Jahren mit verschiedenen chemischen Substanzen gestopft hatte.
Mit vierundvierzig, kurz nachdem ich Geständnisse eines Küchenchefs geschrieben hatte, fand ich mich plötzlich in einem ganz neuen Leben wieder. Eben noch stand ich neben einer Fritteuse und briet Pfeffersteaks - und im nächsten Moment saß ich oben auf einer Düne und bewunderte den Sonnenuntergang in der Sahara. Ich passierte Straßensperren in Battambang, winzige Füße spazierten über meinen Rücken in Siem Reap, ich aß im El Bulli.
Kurz bevor meine erste Ehe in die Brüche ging, stürzte ich mich auf die Umgestaltung meiner Wohnung, ein Projekt, das sich schnell zu einer größeren Baustelle entwickelte: neue Regale, Möbel, Teppiche, Haushaltsgeräte - all die Insignien eines »normalen« und »glücklichen« Lebens - Sachen, die ich noch nie besessen hatte oder mit denen ich seit meiner Kindheit nicht mehr gewohnt hatte. Ich schrieb zu der Zeit einen Krimi, in dem die Sehnsucht des Protagonisten nach einem behüteten Leben in der Vorstadt mehr über mich verriet als sämtliche Sachbücher, die ich bisher verfasst habe. Kurz darauf kehrte ich meinem bisherigen Leben den Rücken und brach alle Brücken hinter mir ab.
Es folgte eine Phase der … Selbstfindung.
Ich erinnere mich genau an den Moment, als ich beschloss, was ich tun wollte: Ich wollte Vater werden.
Sich ein Kind zu wünschen ist einfach. Ich habe immer - selbst in den schlechten alten Zeiten - gern daran zurückgedacht, wie mich mein Vater auf den Schultern
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