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Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs

Titel: Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Bourdain
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Hauptsache, sie ist glücklich. Sie wird sich immer geliebt fühlen. Sie wird Essen und ein Dach über dem Kopf haben. Und eine große italienische und sardische Familie - und eine kleinere amerikanische. Mit sechs wird sie schon einen Großteil der Welt gesehen haben und wissen, dass nicht alle auf diesem Planeten so ein Leben wie sie führen - oder führen können. Sie wird hoffentlich barfuß mit den Kindern von Fischern und Bauern im ländlichen Vietnam herumtoben. Sie wird in jedem Ozean schwimmen. Sie wird wissen, wie man mit Essstäbchen isst - und wie echter Käse schmeckt. Sie spricht jetzt schon besser Italienisch als ich.
    Abgesehen davon weiß ich nicht, was ich sonst noch tun kann.

»Frag doch Alice«
    Die Markthallen […] erschienen ihm als das satte und
verdauende Tier, als das dickbäuchige Paris … Es war
der Krämerbauch, der Bauch durchschnittlicher Ehrbarkeit,
der sich aufblähte, glücklich war, in der Sonne
glänzte und fand, dass alles zum Besten stünde.
    Émile Zola , »Der Bauch von Paris«
     
     
     
    A lice Waters möchte helfen. Kurz nach Barack Obamas Wahlsieg schrieb die »Mutter von Slow Food« dem neuen Präsidenten einen Brief, in dem sie ihm Ratschläge für seine erste Amtshandlung erteilte: »Die Reinheit und Gesundheit der Obama-Bewegung muss von einer parallelen Anstrengung bei den Lebensmitteln begleitet werden, am prominentesten und symbolträchtigsten Ort Amerikas - dem Weißen Haus.«
    Sie erinnerte den Präsidenten daran, dass sie Geld für seinen Wahlkampf gesammelt hatte, und schlug vor, dass sie und ihre Freunde, die Gourmet -Chefredakteurin Ruth Reichl und der Restaurantbetreiber Danny Meyer, sofort an Bord geholt werden sollten, als »kleiner Beraterstab - eine Art
›Küchenkabinett‹ -, um Ihnen bei der Einstellung eines Kochs für das Weiße Haus zu helfen. Jemanden mit Integrität und Hingabe für den Umwelt- und Naturschutz und die Gesundheit …«
    Dass es bereits einen Koch im Weißen Haus gab, einen Mann mit der gewünschten »Integrität und Hingabe«, ist Miss Waters anscheinend entgangen. Ebenso wenig spielte es eine Rolle, dass dieser Koch seit Jahren überwiegend regionale Lebensmittel aus nachhaltigem oder Bioanbau einkauft und zubereitet - oder dass schon längst ein Küchengarten angelegt wurde. Waters machte den Fehler, dass sie die Küchenbrigade nach dem Arbeitgeber beurteilte, und nach allem, was sie vom vorherigen Bewohner sah - oder zumindest hörte -, nahm sie natürlich das Schlimmste an. Aber ich bezweifle, dass sie sich lange genug mit der Sache beschäftigt hatte, um auch nur flüchtig bei Google zu recherchieren.
    Es ging, wie so oft, eigentlich nur um Alice.
    »Ich kann die Vision einfach nicht vergessen, die mich seit 1993 umtreibt«, sprudelte es glückselig aus ihr heraus, »von einem schönen Gemüsegarten auf dem Rasen des Weißen Hauses. Das würde der Nation und der Welt zeigen, wie sehr wir unser Land hegen - ein wahrer Victory -Garten!«
    Letztlich bekam sie ihren Garten. Allerdings widerstand der neue Präsident der Versuchung, Miss Waters ein Regierungsamt zu übertragen.
    So ungeschickt und durchschaubar dieser Vorstoß mit seiner kruden Mischung aus Selbstverherrlichung und gut gemeinten Absichten auch war, er wäre sicher besser angekommen, wenn Waters sich in den letzten vierundvierzig Jahren die Mühe gemacht hätte, einmal wählen zu gehen. Egal, wie
man politisch tickt, man muss zugeben, dass die philosophischen und realpolitischen Unterschiede zwischen Bush und Gore und Bush und Kerry gelinde gesagt auffallend waren. Die Wahlen gingen denkbar knapp aus. Jede Stimme zählte, egal, wen man wählte. Man muss nur die erste Seite der Zeitungen lesen, um zu erfahren, wie sich die Wahl auf Jahre hin auswirkte. Daher kann Alice oder jemand anderes nicht behaupten, dass es »sowieso keinen Unterschied macht, es ist doch immer derselbe militärisch-industrielle Komplex«. So etwas verbittert mich. Ich kann es einfach nicht akzeptieren. Waters hat etwas an sich, das ich kaum ertrage.
    Nachdem sie damit geprahlt hatte, seit 1966 nicht mehr zu wählen, wirkte es doch ein bisschen … krass, als sie meinte, sie könne dem Präsidenten sagen, was er zu tun habe. Man sollte doch annehmen, dass er mit dem weltweiten Zusammenbruch der Finanzmärkte, der massiv steigenden Arbeitslosigkeit und zwei komplizierten Kriegen genug zu tun hat. Eine Entlassungswelle suchte das Land heim, und da kam Alice daher und verkündete unter anderem,

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